Die erste Generation Kia Niro kam 2016 auf den Markt – 4,36 Meter lang und erhältlich mit Voll- und Plug-in-Hybrid, aber auch schon elektrisch.

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Wer einen Niro will, aber nicht als Stromer: Als weitere Antriebsoptionen stehen wie gehabt Vollhybrid und Plug-in-Hybrid (Bild) zur Auswahl.

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Das konzerninterne Pendant zum Kia-SUV wäre der Hyundai Kona. Der Neue kommt ab Sommer – mit Benzinern, Vollhybriden und elektrisch.

Foto: Hyundai

Im SUV-Segment, in dem der Niro antritt, verkauft sich in Österreich der VW T-Roc am besten. Gibt’s auch als Cabrio. Aber nicht elektrisch.

Foto: Andreas Stockinger

Man muss auch manchmal die Kirche im Dorf lassen, es geht nicht immer um Sensationen. Denn der gelebte Alltag ist sowieso etwas anderes als das, was uns in dieser rekordsüchtigen Welt vorgehupft wird, in der sogar beim Kochen weicher Eier immer neue Rekorde aufgestellt werden (jetzt schon unter zwei Minuten!). Auch Kia zeigt gerne und mit Stolz Höhepunkte auf. Mit dem EV6 hat man mit der 800-Volt-Technik eine beeindruckende Markierung gesetzt, was Performance und Ladeleistung angeht. Mit dem neuen Niro begibt man sich nun wieder in die Ebenen des Alltags, dorthin, wo Maß und Ziel und Vernunft zu Hause sind.

Geräumiges Innenleben, kompakt außen, guter Zustieg, erfreuliche Rundumsicht. So präsentiert sich der Kia Niro in zweiter Generation.
Foto: Rudolf Skarics

Der neue Niro ist kein abgespeckter EV6, wie manche vermuteten, sondern basiert auf der bewährten Mischplattform. Es gibt ihn also auch als Hybrid und Plug-in-Hybrid mit Benzinmotor. Hier beim rein elektrischen Modell ist der Motorraum statt mit einem Verbrenner redlich gefüllt mit Elektroantrieb und Leistungselektronik. Darüber sitzt nur noch eine flache Kunststoffbox zur Aufbewahrung von Allfälligem, zum Beispiel dem Ladekabel. Im Kofferraum wiederum ist beim vollelektrischen Modell in der Reserveradmulde auch ein bisschen Elektrik montiert, was die Mitnahme eines vollwertigen Reserverades behindert. Weiters nicht tragisch, denn eine persönliche Statistik sagt, dass selbst Vielfahrende in hochindustrialisierten Ländern ohnehin nur alle 20 Jahre eines benötigen.

Und auch von hinten ist er ganz ansehnlich, unser Niro in Mineral Blue.
Foto: Rudolf Skarics

So nehmen wir Platz. Ganz schön bequem. Die SUV-gemäße aufrechte Sitzposition ergibt auch noch einen richtig guten Rundumblick. Die Sitze sind straff, Position und Verstellbereich des Lenkrads in Ordnung. Die Bedienung ist, sagen wir, akzeptabel, aber mit punktuellen Schwächen. Die Doppelbelegung des Drehknopfs (für Heizung und Radio) enthält in Kombination mit der unsensiblen Touch-Oberfläche enormes Ablenkungspotenzial. Aus dem Dilemma hilft dir die Sprachsteuerung mit überschaubarem Wortschatz auch nicht immer gleich raus. Sehr gut hingegen funktionieren die unmittelbar sicherheitsrelevanten Features, auch wenn das Vibrieren der Annäherungssensorik mitunter irritiert. Die vorzügliche Spurhaltautomatik kann man schon als ernsthafte Vorstufe für das automatische Fahren sehen. Chapeau! Die Spurwechselautomatik, die sich manchmal in unsere Aufmerksamkeit drängt, hat aber noch ein paar Schleifen Machine-Learning notwendig.

Der Elektroantrieb ist vernünftig, die Kraftentfaltung des Fronantriebs mustergültig. Das heißt, das Auto beschleunigt zügig und ohne Antriebseinflüsse im Lenkrad. Die nominelle Spitzenleistung von 150 kW (für Nostalgiker: 204 Pferdestärken) reißt das Auto nicht ungestüm vom Fleck, die gleichmäßige Beschleunigung gibt aber ein sehr sicheres, ausgewogenes Fahrgefühl. Die 255 Nm Drehmoment vom Stand weg spiegeln klarer den Charakter wider. Mit einem Energieverbrauch von rund 16 kWh/100 km kommt man in der Stadt und über Land unter ständig wechselnden Geschwindigkeitsbeschränkungen am weitesten. Autobahn 110 km/h macht 19 kWh/100 km, während man bei 130 schon an den 25 kWh/100 km kratzt. Alles zusammen ziemlich normal für ein Elektroauto.

Etwas ungewöhnliche Lenkradform, ja, aber dafür gibt es 4 Kippschalter, doppelt so viele wie bei der Konkurrenz.
Foto: Rudolf Skarics

Muss man sehr häufig an die Schnellladesäule, ist der Niro nicht unbedingt erste Wahl. Zumindest jetzt im Winter lädt er an 150-kW-Ladesäulen sehr selten mit mehr als 50 kW, oft auch mit weniger. Versprochen werden bis zu 72 kW als maximale Ladeleistung. Wer also öfter auf Langstrecke unter Druck ist, sollte doch eher zum EV6 greifen, womit wir dann doch wieder bei den Rekorden wären, jedenfalls bezogen aufs Schnellladen. (Rudolf Skarics, 31.1.2023)