Auf blick.ch verspricht Chefredakteur Christian Dorer per Newsletter "Einblick, was hinter den Kulissen des 'Blick'-Newsrooms passiert". Diesmal lieferte die Konkurrenz einen tieferen Einblick.

Foto: Blick.ch Screenshot

Vertrauliche Informationen aus Schweizer Regierungssitzungen gelangten während der Corona-Krise regelmäßig auf direktem Weg zum Konzernchef des Medienhauses Ringier. Erkaufte sich die Regierung mit geheimen Vorabinformationen eine wohlwollende Berichterstattung durch das Ringier-Boulevardblatt "Blick"?

Was die meistgelesene Schweizer Zeitung, die "Schweiz am Wochenende", in ihrer letzten Ausgabe publizierte, hat es in sich: Regelmäßig soll der Informationschef des Schweizer Innenministeriums, Peter Lauener, den Ringier-Konzernchef Marc Walder vorab über anstehende Corona-Entscheide der Regierung informiert haben.

"Vertraulich einige Infos: Die Gelder für den Impfstoff sollten wir erhalten. Wir unterzeichnen nächstens einen Vertrag mit Pfizer ...", schrieb Lauener in einer Mail am 10. November 2020 an Walder. Diese "vertraulichen" Informationen standen tags darauf im "Blick". "Schweiz bekommt den Impfstoff", lautete die Schlagzeile des Boulevardblatts auf Seite eins. "'Blick' weiß: Der Bund steht schon länger in Verhandlungen, ein Vorvertrag ist weit gediehen."

Sozialdemokraten vermuten Kampagne

Wie diese und dutzende weitere vertraut-vertrauliche Mails zwischen Lauener und Walder auf die Redaktion der Konkurrenzzeitung "Schweiz am Wochenende" gelangten, ist nicht bekannt. Die Sozialdemokraten von Innenminister Alain Berset vermuten eine gegen sie gerichtete Kampagne just zum Auftakt ins Wahljahr. Aus Kreisen der Corona-Maßnahmen-Skeptiker ist zu hören, nun habe man endlich den Beleg dafür, dass "die Medien" von der Regierung instrumentalisiert worden seien, um die Bevölkerung gefügig zu machen.

In der Tat haben nicht nur der "Blick", sondern auch viele andere Schweizer Zeitungen eher wohlwollend über die Corona-Politik der Regierung berichtet. Ringier-Konzernchef Walder sagte bei einem Managertreffen im Jahr 2021, er setze sich dafür ein, dass seine Medien "die Regierung durch unsere Berichterstattung unterstützen, dass wir alle gut durch die Krise kommen".

Konzernchef hat "kein Weisungsrecht"

Den Vorwurf aber, man habe dank einer "Standleitung" ins Innenministerium bevorzugt Informationen bekommen und dafür im Gegenzug positiv über die Corona-Politik von Minister Berset berichtet, weist "Blick" von sich. Die Corona-Geschichten seien von der Redaktion selber recherchiert worden, der Konzernchef habe kein Weisungsrecht gegenüber den Journalisten, schrieb Chefredakteur Christian Dorer am Dienstag auf der "Blick"-Titelseite.

Sein Chef Walder, Innenminister Berset und sein ehemaliger Kommunikationschef Lauener ihrerseits äußern sich inhaltlich nicht zu der Sache. Was tatsächlich passiert ist und wer wem was wann mitgeteilt hat, das soll nun ein Sonderermittler des Bundes klären. (Klaus Bonanomi, 18.1.2023)