Florian Kogseder (links) und Christian Hatzenbichler koordinieren den Bürgeraufstand gegen die Bohrungen.

Foto: Werner Dedl

Man setzt in der kleinen Nationalparkgemeinde Molln im oberösterreichischen Traunviertel traditionell eigentlich auf Harmonie. Zumindest musikalisch gehört der gute Ton nämlich zu dem 3.636-Einwohner-Ort. Seit über 400 Jahren werden in Molln Maultrommeln produziert. In der Blütezeit einst von 33 Familien, heute fertigen noch zwei Traditionsbetriebe die beliebten Zungeninstrumente.

Doch abseits vom volkstümlichen Brummeisen ist aktuell in Molln durchaus eine grobe Disharmonie spürbar. Der Grund dafür liegt ein wenig außerhalb des Ortszentrums: Im sogenannten Jaidhaustal werden in gut 2.000 Metern an die 22 Milliarden Kubikmeter Erdgas vermutet. Das legen zumindest seismologische Daten nahe. Ob sich dort tatsächlich so viel Gas befindet, will nun das Unternehmen ADX Energy mithilfe einer Probebohrung ergründen.

Üppige Magerwiesen

Eine schmale Schotterstraße führt vom Forsthaus Jaidhaus hinein in die Talweitung des sogenannten Bodinggrabens. Es ist ein Ort, der Naturfreunde frohlocken lässt. 2016 wurde hier das Naturschutzgebiet Jaidhaus mit rund 284 Hektar Wald und gut 35 Hektar Wiesenflächen verordnet.

Charakteristisch sind die an seltenen Pflanzen- und Tierarten reichen Magerwiesen, die europaweit mittlerweile zu den gefährdeten Lebensraumtypen zählen. Doch im Sinne der Rohstoffgewinnung soll zwischen Großer Händelwurz, Stein-Nelke, Schneerose und dem Frühlingsenzian künftig noch Platz für einen Bohrer sein. Wobei die geplante Bohrstelle 2.250 Meter von der Nationalparkgrenze und etwa 20 Meter vom Naturschutzgebiet entfernt liegt.

Die Sonne flutet an diesem späten Vormittag das weitläufige Tal. Florian Kogseder, Landwirt und ob seiner Schwammerlexpertise als "Pilzprinz von Molln" bekannt, schlendert gemeinsam mit Christian Hatzenbichler, AHS-Lehrer und Obmann des Vereins "Bergwiesn", die winterlich karge Wiese entlang. Die beiden Männer sind seit dem eher zufälligen Bekanntwerden der Gasförderpläne im Dauereinsatz. Aktuell steht die Gründung einer Bürgerinitiative an, um künftig in etwaigen Genehmigungsverfahren auch eine Parteienstellung zu haben.

"Kein kleines Locherl"

"Eine Probebohrung ist ja kein kleines Locherl. Da wird das gesamte Areal aufgeschottert, Teile werden betoniert, es wird Wasser benötigt – also das Grundwasser angezapft. Dazu kommen riesige Druckanlagen, Dieselaggregate, kontaminiertes Aushubmaterial", warnt Hatzenbichler im STANDARD-Gespräch. Kogseder: "Und wie befördert man das Gas aus dem Tal? Es braucht also eine Pipeline."

Man befürchte hier, "mitten in diesem einzigartigen Lebensraum", plötzlich eine massive Bautätigkeit. "Das Gebiet ist europaweit etwas Außergewöhnliches", ärgern sich die beiden Mollner.

Was offensichtlich auch der eben zum Wissenschafter des Jahres 2022 gekürte Biodiversitätsforscher Franz Essl so sieht. Kogseder: "Bitte, der Essl-Franz hat über das Naturschutzgebiet seine Diplomarbeit geschrieben." Einer der Hauptkritikpunkte ist, neben den eigentlichen Förderplänen, vor allem die Informationspolitik. Hatzenbichler: "Man hat bis dato nie offen die Fakten auf den Tisch gelegt. Es gab zwar ein Gespräch vor Weihnachten beim Bürgermeister, aber man kann ihm keinen Vorwurf machen. Da kommt wer von der RAG ins Gemeindeamt – ein Verkäufertyp, der versucht, das alles zu beschwichtigen und kleinzureden. ‚Wir tun mal ein bissi bohren‘ – so fängt es immer an. Unser Bürgermeister hat das unterschätzt."

Das wahre Ausmaß "hast halt dann so nebenbei am Wirtshaustisch erfahren", ärgert sich auch Kogseder. Irgendwann habe man daher "die Sache gegoogelt". Hatzenbichler: "Molln und Gas – und schon sind die englischen Seiten dahergekommen."

Das Argument, dass in Zeiten der Energiekrise ein riesiges Gasvorkommen eigentlich kein Nachteil sei, lassen die beiden Naturburschen nicht gelten. "Wenn in Wien Gas gefunden wird, stellt man auch nicht den Bohrturm vor das Schloss Schönbrunn oder am Stephansplatz auf. Das sind sensible Bereiche. Und so ist es im Jaidhaustal auch."

Heikles Ortsgespräch

Folgt man dem Verlauf der Krummen Steyrling, ein idyllischer Nebenfluss der Steyr, zurück in Richtung Molln, bekommt man dort auf die Frage nach dem aktuell bestimmenden Thema in der Gemeinde nicht etwa eine Kostprobe der berühmten "Brummeisenpolka" serviert. Das unterirdische Gas ist Thema Nummer eins – die Meinungen dazu fallen aber durchaus unterschiedlich aus. "Ich sehe es relativ gelassen. Wir wissen, dass wir durch den Krieg in der Ukraine zu wenig Erdgas haben. Jeder will alles haben – daheim das Licht aufdrehen, die Wohnung heizen – aber nichts dafür in Kauf nehmen", ist der Mollner Alexander Köck überzeugt. Nachsatz: "Man darf nicht immer gleich bei allem Nein schreien. Zuerst müssen alle Pläne auf den Tisch, dann kann man darüber reden."

Joachim Horvath wohnt im nahen Micheldorf und ärgert sich vor allem über die zaghafte Kommunikation: "Da werden Förderrechte einfach verkauft. Ich will eine Ehrlichkeit von denen da ganz oben. Warum spielt man nicht mit offenen Karten. Aber ich bin grundsätzlich dagegen, denn von der Natur haben wir eh alle zusammen nicht mehr recht viel."

"Ist es das wert?"

Aufklärung will auch Helga Strohschneider aus Molln: "Keiner weiß im Moment, was wirklich passieren soll. Und dann muss man abwiegen. Brauchen wir das Gas so dringend? Reicht das Vorkommen für drei Jahre? Ist es das wert, dass wir dort alles umdrehen?"

"Eine Frechheit", findet hingegen Erika Jungwirth. "Dem Bürgermeister nix sagen, die Bevölkerung blöd sterben lassen." Und überhaupt: "Gas mag ich sowieso nicht."

Michael Etzelsdorfer vom Verein "Greifvogel-Erlebnis-Brunnental" steht hingegen einer Bohrung grundsätzlich positiv gegenüber: "Ich verstehe nur nicht, warum das ausgerechnet eine australische Firma macht. Aber da rinnt wahrscheinlich so viel Geld im Hintergrund. Wenn es ein Gas gibt, soll auch gebohrt werden. Aber die Methode ist wichtig – Fracking braucht hier kein Mensch." (Markus Rohrhofer, 19.1.2023)