Wladimir Putin am Mittwoch bei der Kranzniederlegung auf dem Piskarjowskoje-Friedhof in Sankt Petersburg.

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Eigentlich war es ein stilles Gedenken heute in Sankt Petersburg. Erinnert wurde an die Blockade der Stadt vor 80 Jahren, die damals noch Leningrad hieß. Es war eine unvorstellbare Gräueltat der deutschen Wehrmacht. 872 Tage dauerte die Blockade, mehr als eine Million Menschen verhungerte, ein Genozid.

Russlands Präsident Wladimir Putin legte einen Kranz nieder, traf sich mit Veteranen und mit Bewohnern. Die von einigen westlichen Experten erwartete Ankündigung einer neuen Mobilmachung blieb aus, dennoch ging es um die aktuelle Politik, um die Situation in der Ukraine. Seit 2014 gebe es umfassende Feindseligkeiten im Donbass, und Russlands Aktionen zielten darauf ab, sie zu stoppen, sagte Putin laut der staatlichen Nachrichtenagentur Interfax.

Putin in der Opferrolle

"Tatsächlich haben die umfassenden Feindseligkeiten im Donbass seit 2014 nicht aufgehört – mit dem Einsatz von schwerem Gerät, Artillerie, Panzern und Flugzeugen. (…) Alles, was wir heute tun, einschließlich einer speziellen Militäroperation, ist ein Versuch, dies zu stoppen. Das ist der Sinn unserer Operation. Und unsere Menschen zu schützen, die dort in diesen Gebieten leben", so Putins Sicht auf die Invasion in die Ukraine. "Wir haben lange ausgehalten, lange versucht, eine Einigung zu erzielen. Wie sich jetzt herausstellt, wurden wir einfach an der Nase herumgeführt, getäuscht."

Von einem Sieg in der Ukraine ist der russische Präsident fest überzeugt. "Der Sieg ist sicher, daran habe ich keinen Zweifel", sagte Putin im Anschluss an das Treffen mit den Veteranen bei einem Besuch in einer Rüstungsfabrik in Sankt Petersburg.

Sorge vor langem Krieg

Die Kämpfe in der Ukraine werden wohl unvermindert hart weitergehen, das befürchtet unterdessen die Nato. "Putin bereitet sich auf einen langen Krieg vor", sagte der stellvertretende Nato-Generalsekretär Mircea Geoană am Mittwoch zum Auftakt einer zweitägigen Sitzung des Militärausschusses des Bündnisses.

Russlands Armee soll umfassend aufgestockt und reformiert werden. Nur durch strukturelle Veränderungen der Streitkräfte sei es möglich, Russlands Sicherheit zu gewährleisten, sagte Verteidigungsminister Sergej Schoigu am Dienstag. In den von Russland annektierten ukrainischen Gebieten sollen selbstständige Militäreinheiten aufgebaut werden. Daneben kündigte Schoigu die Aufstellung eines Armeekorps in der nordrussischen Teilrepublik Karelien an, womöglich eine Reaktion auf den geplanten Nato-Beitritt von Schweden und Finnland.

Mehr russische Soldaten

Die Erneuerung der Armee soll 2026 abgeschlossen werden. Ziel ist es wohl auch, die zahlreichen Probleme und Unzulänglichkeiten beim Einsatz in der Ukraine zu beheben. Präsident Putin hatte noch im alten Jahr angekündigt, die Zahl der Soldaten der russischen Armee von 1,15 Millionen auf 1,5 Millionen zu erhöhen.

Zeitgleich mit dem Putin-Besuch in Sankt Petersburg holte der russische Außenminister Sergej Lawrow auf einer Pressekonferenz in Moskau zum außenpolitischen Rundumschlag aus. Lawrow warf den USA vor, ähnlich wie einst Adolf Hitler und Napoleon Bonaparte gegen sein Land vorzugehen. Die Vereinigten Staaten versuchten, Europa zu unterjochen, um Russland zu zerstören, so Lawrow. Mit der Ukraine als Stellvertreter "führen sie einen Krieg gegen unser Land mit der gleichen Aufgabe: die 'Endlösung' der russischen Frage."

Im Moment lägen keine ernsthaften Friedensvorschläge auf dem Tisch, so Russlands Außenminister. Die Vorstellungen der ukrainischen Seite seien inakzeptabel. Russland sei bereit, den Konflikt mit den westlichen Ländern zu erörtern und auf alle ernsthaften Vorschläge einzugehen, doch müssten bei den Gesprächen auch die Sicherheitsbedenken Russlands berücksichtigt werden. Lawrow forderte die Nato erneut auf, ihre "militärische Infrastruktur" aus der Ukraine und anderen Ländern nahe der russischen Grenzen abzuziehen. (Jo Angerer aus Moskau, 18.1.2023)