Den Beschuldigten wird unter anderem Gewaltausübung und sexueller Missbrauch von wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Personen vorgeworfen (Symbolbild).

Foto: Heribert CORN/ DER STANDARDA

St. Pölten – Wegen mehrerer Vorfälle müssen sich vier ehemalige Mitarbeiter eines Pflegeheims in Sitzenberg-Reidling (Bezirk Tulln) ab nächsten Mittwoch vor dem Landesgericht St. Pölten verantworten.

So sollen laut einem "Kurier"-Onlinebericht von Mittwoch betagten Bewohnern sedierende Medikamente ohne medizinische Indikation verabreicht worden sein, um sie "ins Koma zu versetzen". Einem Bewohner soll laut der Anklage ein Teil seines Mittagessens weggenommen worden sein. Eine Pflegehelferin soll einen Mann mit kaltem Wasser abgeduscht und auf ihn eingeschlagen haben, ihm Parfum in den offenen Mund gesprüht und schließlich für mehrere Sekunden einen Kopfpolster gegen sein Gesicht gedrückt haben. Die Beschäftigte soll zudem einer Frau den Kopf überstreckt, die Nase zugehalten und Wasser in den Mund geschüttet haben. Die Bewohnerin soll mit dem Kopf gegen das Bett geschlagen sein.

Sedierende Medikamente ohne Indikation

Die Pflegehelfer – drei Frauen und ein Mann – sollen in einer Whatsapp-Gruppe über ihre berufliche Tätigkeit geschrieben und auch Fotos versendet haben. "Es wurde dabei in äußerst menschenverachtender Art und Weise kommuniziert, Bewohner wurden herabgewürdigt, herabwürdigende Fotos und Videos von diesen zur Belustigung ausgetauscht", wurde aus der Anklage zitiert. Die Anklagepunkte lauten Quälen oder Vernachlässigen wehrloser Personen, fortgesetzte Gewaltausübung und sexueller Missbrauch von wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Personen im Tatzeitraum März 2020 bis März 2021.

Betroffene sollen "gleich niedergespritzt werden", sei in Nachrichten zu lesen, die sich das Quartett geschrieben haben soll. Es soll auch zu körperlichen Misshandlungen gekommen sein. Alte Menschen sollen geschlagen, beschimpft und bespuckt worden sein. Es gebe rund 20 Opfer.

Verteidiger: Es seien lediglich "verbale Entgleisungen"

Eine betreuende Ärztin soll der Anklage zufolge nur bei jenen Bewohnern Visiten durchgeführt haben, die durch die Pflegekräfte vorgestellt wurden. Während der Corona-Lockdowns soll die Medizinerin gar nicht erschienen sein. Die Opfer seien zu keiner Aussage fähig. Im Fall einer Verurteilung beträgt der Strafrahmen ein bis zehn Jahre Haft.

Von der Verteidigung der vier Angeklagten hieß es zum "Kurier", es soll lediglich zu "verbalen Entgleisungen" gekommen sein. Die Schöffenverhandlung wird nach dem Start am 25. Jänner am Tag darauf fortgesetzt. Weitere Termine sind für Februar und März geplant.

"Im März 2021 wurde die Hausleitung durch zwei Mitarbeiterinnen über angebliches Fehlverhalten von mehreren Kolleginnen beziehungsweise Kollegen informiert. Die Vorwürfe reichten von einem Austausch über einzelne Bewohner:innen in einer herabwürdigenden Art und Weise in einer Chat-Gruppe bis zu körperlicher Misshandlung", teilte das Pflegeunternehmen Senecura der APA mit. Die Unternehmensgruppe habe umgehend eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft St. Pölten übermittelt.

Ähnlichkeit zu Fall in Kirchstetten

Die Dienstverhältnisse der vier Mitarbeiter seien nach Bekanntwerden der Vorkommnisse mit sofortiger Wirkung beendet worden, eine interne Untersuchung sei eingeleitet worden. Man habe umgehend wieder "qualitätsvolle Pflege im Haus" sichergestellt, hieß es. "Die angeklagten Personen sind nicht mehr für die Senecura-Gruppe tätig", hielt eine Sprecherin des Unternehmens fest.

Die Causa ähnelt dem Fall rund um ein Pflegeheim in Kirchstetten (Bezirk St. Pölten). Drei Frauen und einem Mann wurde vorgeworfen, 2016 über mehrere Monate hinweg alte Menschen geschlagen und beschimpft zu haben, die hilflosen Betroffenen gequält und Bewohner zu heiß geduscht zu haben. Die Anklage basierte unter anderem auf Protokollen einer Whatsapp-Gruppe. Der im September 2020 gestartete Prozess ging im Februar 2021 mit nichtrechtskräftigen Schuldsprüchen zu Ende. Das Quartett wurde zu bedingter Haft im Ausmaß von zwölf bis 18 Monaten beziehungsweise Geldstrafen verurteilt. (APA, red, 18.1.2023)