Sascha Sobot (48) war schon als Kleinkind angefixt von einer schwarzen GPZ 1000, die irgendwo im sechsten Bezirk im Stiegenhaus bei Bekannten seiner Eltern herumstand. Und kaum war er ein Dreikäsehoch, wünschte er sich ein Zehngangfahrradl – "ein rotes Kaindl" –, mit dem er gleich einmal eine Parkbank wegschob, die ihm die Haut vom Schienbein schälte. "Im Krankenhaus war ich öfter", erzählt er, und seine Kinderkrankenkassenbrillen musste er alle zwei Wochen tauschen, bis er keine neue mehr bekam. Geschwindigkeit faszinierte ihn einfach – und die Frage, ob es sich ausgeht, wenn er zwei Räder bis ans Limit beschleunigt. Und es ging sich immer irgendwie aus in seinem Leben – bis es sich irgendwann nicht mehr ausging.

Sascha Sobot lebte lange für Motorräder, nun ist er zurück bei den Fahrrädern.
Foto: Heribert Corn

Schon als Snowboarder genoss er das "Schleichts eich!" der Skifahrer. Es drängte ihn nur noch weiter an den Rand, wo er auf einem Buttboard den Berg hinunterraste "mit 120 Sachen". Und draußen in Dornbach im 17. Bezirk, wo er aufwuchs, brauchte er natürlich sofort ein Mountainbike, sobald die ersten verkauft wurden.

Getestet und zerstört

Unvergessen daher auch der Testtag einer Mountainbike-Marke, die eine einteilige Gabel am Schwinger promotete – Cannondale. "Da stand am Semmering der Typ mit seinen fünf Radln herum, und wir fragten: Dürfen wir die probieren?" Sie durften unter der Bedingung, dass sie damit auf dem Waldweg bleiben würden. Natürlich bogen sie sofort auf die Piste hinaus ab, "und es hat uns tausendmal auf die Papp’n g’haut". Am Ende des Tages haben sie die Radln zurückgestellt und gesagt: "Na ja, die sind eh leiwand, aber jetzt sind sie halt leider hin." Jedes Einzelne kostete 30.000 Schilling.

Früher hat Sobot eher Zweiräder zerstört. Heute repariert er sie.
Foto: Heribert Corn

Mit 16 kaufte er sich eine Vespa, die er umgehend ruinierte, "ich hab mich einfach nicht ausgekannt". Nachdem er von der Schule geflogen war, fing er eine Verkäuferlehre in einem Geschäft für Skateboards und Mountainbikes an, das Geld steckte er in ein Moped, das er x-mal "hingelegt" hat: "Start bei der Ampel Höhe Volksoper, dann bist du voll am Stift geblieben und die Kurve Richtung Nußdorfer Straße hinuntergezogen." Es ging sich wieder stets irgendwie aus, obwohl dort unten immer öfter die Polizei wartete.

Das Motorradleben

Später wurde er Motorradverkäufer. Er machte die Matura nach und wechselte zu einer Motorrad-Internetplattform. Er genoss die Pressereisen um die ganze Welt, die Buffets und die Fünf-Sterne-Hotels, bis Yamaha einen Außendienstler suchte, da war er Anfang 30. "Damals hat keiner die Rendite ausgerechnet, da gab es nur Freaks, Spinner, Schrauber und lustige Typen, alle waren urleiwand."

Die Japaner ließen ihn in Ruhe für sie Geld verdienen, bis auch sie anfingen, Unternehmensberater zu holen und alles in Grund und Boden zu wirtschaften: sparen, sanieren, zentralisieren. Plötzlich regierte die Gier. Über Leute, die unter Burnout leiden, hat Sobot bis dahin gelacht: "Das sind Wappler, die nicht arbeiten können!" Plötzlich aber war er selbst mit dem Blutdruck ständig am Anschlag und schlief frühestens nach fünf Bieren ein – mit anderen Worten: Es ging sich nicht mehr aus. Er verabschiedete sich mit einem goldenen Handshake und hatte keine Ahnung, was er nun machen sollte.

Anscheinend gibt es in der Werkstatt auch einen Kobold.
Foto: Heribert Corn

Die Frage, die er sich stellte, lautete: "Was taugt mir eigentlich im Leben?" Und es fielen ihm seine Fahrradln ein. "Wie schwer kann es denn sein, so eines zu reparieren?" "Gar nicht so einfach!", lautete die Antwort, denn auch nach einem Fahrradmechanikerkurs am Wifi "wusste ich im Grunde nichts darüber". Für ein Auto gebe es einen Teilekatalog, "da kennst du dich aus, was wo hingehört". Fahrräder hingegen seien "das Unreglementierteste überhaupt, du kannst es bauen, wie du willst: zwei Kolben, einen Kolben; ein System mit Dot-Flüssigkeit oder mineralischer. Jeder lässt sich etwas einfallen!"

Die erste Kundin

Als er im Keller seines Wohnhauses im neunten Bezirk die Werkstatt aufsperrte, hatte er noch einen Job bei einem Motorradhändler in der Serviceannahme, und schon die erste Kundin war typisch: "Ich möchte nur das repariert haben, und jeder sagt mir, ich soll das Rad lieber wegwerfen, aber ich mag es so gerne!" Ihr Fahrrad war vielleicht fünfzig Euro wert, trotzdem machte er es fit für noch einmal fünf Jahre Straße. Als besonderen Service tauschte er ihr das kaputte Tretlager aus, das sie bis dahin unnötig Kraft gekostet hatte, und als sie wegfuhr, rief sie: "Fantastisch!"

Sobot wirft nichts mehr weg, weil er irgendwann sicher alles wird brauchen können.
Foto: Heribert Corn

Bis ihm seine neue Aufgabe allerdings selbst richtig Spaß zu machen begann, drehte er regelmäßig durch. "Was ich noch nicht gesehen hatte, habe ich mir am Handy im Internet angeschaut." Dort wiederum lernte er, wie arg Youtube-Tutorials sein können: "Da gibt es Typen, die reden eine halbe Stunde und lassen am Ende das Wichtigste weg!" Oder sie sagen: "Da musst du 1,5 Zentimeter messen … Aber keiner sagt dir, wie und womit du messen kannst!" Am Anfang, gesteht er, hat er sogar geweint, überall lagen Teile herum, überall Werkzeug und überall Schrauben. Aber er gab nicht auf, und irgendwann – nachdem er sogar als Werkstattleiter bei einem Händler arbeitete – sah er: "Das geht sich aus!"

Motorradl braucht keiner

Mittlerweile hat er wieder das schöne Gefühl, das er in seinen Anfangszeiten als Motorradfahrer hatte: "Das Fahrrad ist pure Emotion wie das Motorradl, nur dass ein Motorradl keiner braucht." Er redet stundenlang mit seinen Kunden über ihre Räder, und wegwerfen tut er schon lange nichts mehr, weil er alles irgendwann wieder brauchen wird. Sogar sein Körper hat sich verändert: "Die Hände arbeiten auf einmal wie von selbst." Und wenn jemand mit einem gebrochenen Sattelrohr daherkommt, ruft er einfach den Nachbarn an, denn der kann schweißen. "Konkurrenz, Neid oder gar Gier gibt es in dieser Szene nicht."

Nun macht Sobot mit 48 Jahren die Lehrabschlussprüfung als Fahrradmechatroniker.
Foto: Heribert Corn

Heuer im Frühling wird er die Lehrabschlussprüfung als Fahrradmechatroniker machen. "Ich hab es durchgezogen!", sagt er, der sich längst auch für Waschmaschinenreparaturen interessiert und – was Fahrräder angeht – größere Pläne hat: ein eigenes zu bauen, das Eurobike. "Denn das, was da aus Asien zu uns kommt und im Lagerhaus verkauft wird, ist der reinste Dreck." Einen, der ihm den Rahmen bauen wird, hat er schon gefunden, und in Deutschland gibt es eine Firma, die perfekte Antriebstechnik fertigt – alles Freaks, Schrauber und Spinner, aber alle "urleiwand". "Wenn das Radl fertig ist, kostet es sicher 5.000 Euro", lacht er, und dann wird er vielleicht sogar ein bisserl was damit verdienen. "Schauen wir mal, ob es sich ausgeht." Aber so, wie er das sagt, gibt er die Antwort ohnehin gleich selbst mit dazu: Natürlich wird es sich ausgehen! (Manfred Rebhandl, 21.1.2023)