Der heimische Föderalismus hat den Ruf, Veränderungen zumindest zu verlangsamen, wenn nicht gar zu verhindern – im Sinn eines gut österreichischen "Schauma amal". Das gilt auch für den Klimaschutz. Angesichts bevorstehender Landtagswahlen in Niederösterreich, Kärnten und Salzburg wollten heimische Wissenschafterinnen und Wissenschafter nun einen Überblick über die Rolle der Länder und Gemeinden bei der Bewältigung der Klimakrise geben.

Klimaschutz sei im föderalistischen Österreich auch eine Aufgabe von Ländern und Gemeinden, stellte Birgit Hollaus von der WU Wien nun im Rahmen einer Onlinepressekonferenz fest: "Es wäre notwendig, dass alle Gebietskörperschaften Klimaschutz betreiben." Ohne Klimaschutzgesetz gebe es auf Länderebene aber keine quantifizierbaren Ziele. Negativ fielen die Länder beim Erneuerbaren-Wärme-Gesetz auf, ergänzte Reinhard Steurer von der Boku Wien.

Laut Hollaus sind Länder im Vergleich zu den Gemeinden in einer stärkeren Position, hier Maßnahmen zu setzen. Positive Möglichkeiten gebe es jedoch bis hinab auf die Gemeindeebene, zeigte Ilse Bartosch von der Uni Wien auf.

In Niederösterreich, wo diese Windräder stehen, ist der Ausbau von Windkraft weit fortgeschritten, auch wenn noch mehr Potenzial bestünde. In anderen Bundesländern gibt es aber nach wie vor wenige oder gar keine Windräder.
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Tausende Kilowatt Strom kommen nicht ins Netz

Klimapolitikexperte Steurer sieht die Rolle der Länder nicht nur beim Erneuerbaren-Wärme-Gesetz kritisch, die Landesregierungen würden auch die Stromwende bremsen: "Mit der Photovoltaik gibt es einen Turbo in der Stromwende, auch mit den Förderungen, die von der Bundesseite erhöht worden sind", aber es gebe hier gleich zwei Bremsklötze von der Landesseite: Einerseits würden deren erschwerende Regelungen und Auflagen sowohl den Ausbau der Photovoltaik wie auch der Windkraft verhindern und verzögern. Andererseits sei die wenig bekannte Problematik des Netzzugangs dafür verantwortlich, "dass tausende Kilowatt Strom nicht ins Netz kommen". Steurer nannte einen konkreten Fall, bei dem es ein halbes Jahr gedauert habe, bis am Ende nur ein Viertel der Strommenge auch genehmigt worden sei.

Laut Steurer gebe es zwar physische Ursachen für Begrenzungen, jedoch auch einen "Interessenkonflikt", der sich ergibt, weil die "eigentlich unabhängigen Netzbetreiber nahe an den Landesenergieversorgern und damit an den Ländern angebunden sind – auch wenn es de facto juristisch nicht so ist". Eine Lösung sei das Schaffen einer unabhängigen Behörde, die schneller entscheidet: "Private Anlagenbetreiber können derzeit nur zur E-Control-Schlichtungsstelle gehen, was wieder weitere Monate dauert."

Die Fachleute fragten sich, was die Lokalpolitik tun könne. Bartosch, tätig bei Scientists for Future und Mitglied der SPÖ Wien, sah dabei sehr wohl auch Optionen von Ländern und Gemeinden, die den CO2-Ausstoß rasch senken könnten – und zwar am Beispiel Niederösterreich. Zur Umsetzung der Uno-Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals / SDGs) wurde der Klima- und Energiefahrplan 2020 bis 2030 im Landtag beschlossen, der unter anderem eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um 36 Prozent vorsieht. Allerdings mit einem Mangel versehen, denn "Verbindlichkeiten, um regional die entsprechenden lokalen Maßnahmen umzusetzen, fehlen". "Trotzdem gibt es in Niederösterreich etwa mit Korneuburg positive Beispiele", sagt Bartosch. Die Stadt biete einen Sammeltaxiservice mit Fahrplan. Gerade in Niederösterreich, das mit einem hohen CO2-Anteil aus dem Verkehr zu kämpfen hat, sei das eine Option. Zudem sei regionales Öffi-Angebot vergleichsweise billig.

Die größte Photovoltaikanlage Österreichs befindet sich in Wien-Donaustadt. Hier wurde das Sonnenkraftwerk mit einer Weidefläche kombiniert.
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Problem Raumordnung

Mängel orten die Fachleute auch in der Raumordnung, speziell im Bodenverbrauch. Franz Fehr von der Boku Wien, der ebenfalls bei Scientists for Future sowie für die ÖVP in Niederösterreich als Umweltgemeinderat agiert, bemerkt, dass die höchste Bauinstanz in einer Gemeinde der Bürgermeister sei, der sich als solcher "inhaltlich oftmals überfordert und im Spannungsfeld der persönlichen Konflikte" befinde. Er fordert, dass strategische Raumplanung von Ländern oder Bund betrieben wird. Sein Kollege Steurer weitet seine Kritik gleich auf den Föderalismus insgesamt aus, der nicht dazu geeignet sei, "ein globales oder nationales Problem zu lösen". Konkret nennt Steurer die Wärme- und die Stromwende. (APA, red, 19.1.2023)