Polen könnte seine Leopard-2-Panzer auch ohne deutsche Zustimmung in die Ukraine schicken.

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Die Hilfe für die Regierung in Kiew geht weiter – so viel steht bereits vor dem Treffen der sogenannten Ukraine-Kontaktgruppe auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein am Freitag fest. Bei der Zusammenkunft von Vertreterinnen und Vertretern der Nato und rund 50 Nationen wird es um weitere Artillerie, Munition und sonstige militärischen Geräte für die Verteidigung gegen die russischen Invasoren gehen – und vor allem auch um die Lieferung von Kampfpanzern für Kiew. Vor allem Deutschland und allen voran Kanzler Olaf Scholz zögern aber noch. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg erwartet sich von den Verantwortlichen in Ramstein, dass es "mehr schwere Waffen und mehr moderne Waffen" für die ukrainischen Streitkräfte geben wird.

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz gerät zunehmend unter Druck. Scholz ist gegen eine Lieferung von Leopard-Kampfpanzern an die Ukraine
DER STANDARD

Fest steht, dass die britische Regierung insgesamt 14 Challenger-Kampfpanzer in die Ukraine schicken wird. Premierminister Rishi Sunak hat eine entsprechende Freigabe bereits vergangene Woche angekündigt. Auch Frankreich überlegt ernsthaft die Lieferung von Leclerc-Kampfpanzern und erhöht damit auch den Druck auf Scholz und vor allem dessen neuen Verteidigungsminister Boris Pistorius. Denn Deutschland soll zumindest Polen und Finnland erlauben, deutsche Leopard-2-Panzer an die Ukraine weiterzugeben. Am Donnerstagabend hieß es dazu aus Berlin, dass man noch keine offizielle Anfrage von einer Regierung erhalten habe, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet.

Berlin nur, wenn auch Washington

In einer Stellungnahme versicherten der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba und Verteidigungsminister Oleksii Resnikow, dass gelieferte Leopard-2-Panzer "verantwortungsvoll und ausschließlich für den Schutz der territorialen Integrität der Ukraine innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen" eingesetzt würden.

Aus Berlin heißt es, dass Scholz nur dann Kampfpanzer liefern werde, wenn Washington mitzieht. Das sagte Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die Vorsitzende des parlamentarischen Verteidigungsausschusses. Im Kanzleramt schweigt man dazu.

Milliardenpaket ohne Kampfpanzer

In den USA – die die Führungsrolle in der Kontaktgruppe innehaben – ist bereits vor der Reise von Verteidigungsminister Lloyd Austin nach Europa durchgesickert, dass es ein neues Hilfspaket von mehr als zwei Milliarden Dollar geben soll. Details sollen in Ramstein bekanntgegeben werden, aber darin enthalten sollen auch 100 Radschützenpanzer vom Typ Stryker sein – der Kampfpanzer M1 Abrams, den sich Kiew erhofft hat, soll aber nicht dabei sein.

Ebenso wird es keine ballistischen Kurzstreckenraketen des Typs MGM-140 ATACMS geben. Damit können Ziele auf eine Entfernung von bis 300 Kilometern getroffen werden. Außerdem sind die Raketen mit dem Himars-Raketenwerfer kompatibel, der Kiew bereits Vorteile auf dem Schlachtfeld gebracht hat.

Panzerlieferung ohne Deutschland

Für "beispiellose Unterstützung" in Bezug auf militärisches Equipment wollen sich neun Nationen einsetzen. Unter anderem haben sich Großbritannien, Polen und die Niederlande am Donnerstag in Estland darauf verständigt. Gemeinsam mit dem Gastgeberland unterstützen auch Lettland, Litauen, Dänemark, Tschechien und die Slowakei eine verstärkte Hilfe für die ukrainischen Streitkräfte – unter anderem durch "Kampfpanzer, Flugabwehr, Munition und Schützenpanzer", heißt es in dem gemeinsamen Statement.

Der litauische Verteidigungsminister Arvydas Anušauskas preschte zudem voraus und sagte zu Reuters: "Einige der Länder werden definitiv Leopard-Panzer an die Ukraine senden, das steht fest." Damit legt Anušauskas nahe, dass man auch ohne die Zustimmung des Nato-Partners Deutschland liefern könnte. Auch Polen hatte solch ein Vorgehen bereits angedeutet. (Bianca Blei, 20.1.2023)