Grillen gemahlen oder frittiert. Mehlwürmer gebraten. Insekten werden immer öfter als alternative Nahrungsmittel propagiert.

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Wien – Alternative Lebensmittel liegen im Trend. Frittierte Heuschrecken etwa sind auch in Europa längst keine Seltenheit mehr. Die Hausgrille Acheta domesticus in Pulverform könnte sich nun in mehrere Lebensmittel mischen. Die EU-Kommission hat die Hausgrille in Pulverform nämlich als neuartiges Lebensmittel zugelassen. Das geht aus dem Amtsblatt der Europäischen Kommission vom 3. Jänner hervor.

Den Antrag auf die Zulassung des Grillenpulvers stellte das vietnamesische Unternehmen Cricket One Co. Ltd. im Juli 2019. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit prüfte das Pulver und kam zu dem Schluss, dass der Einsatz unter den vorgeschlagenen Verwendungsbedingungen in den vorgeschlagenen Mengen sicher ist.

Von Bier bis Brot

Das Pulver kann nun in folgenden Lebensmitteln beigemengt werden: in Mehrkornbrot und -brötchen, Crackern und Brotstangen, Getreideriegeln, trockenen Vormischungen für Backwaren, Keksen, trockenen gefüllten und ungefüllten Erzeugnissen aus Teigwaren, Saucen, verarbeiteten Kartoffelerzeugnissen, Gerichten auf Basis von Leguminosen und Gemüse, Pizza, Erzeugnissen aus Teigwaren, Molkenpulver, Fleischanalogen (also Fleischersatzprodukten), Suppen und Suppenkonzentraten oder -pulver, Snacks auf Maismehlbasis, bierähnlichen Getränken, Schokoladenerzeugnissen, Nüssen und Ölsaaten, Snacks außer Chips sowie in Fleischzubereitungen für die allgemeine Bevölkerung.

Die Menge des beigemengten Grillenpulvers ist dabei begrenzt, so darf ein Fleischersatzprodukt maximal zu fünf Prozent aus Insektenpulver bestehen. Als "vegan" dürfen solchen Produkte dann nicht mehr gekennzeichnet werden, ist sich Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg sicher, "da sie damit natürlich tierische Inhaltsstoffe enthalten", zitiert das Magazin "Geo" den Experten.

Die Lebensmittelbehörde weist aber auch darauf hin, dass der "Verzehr dieses neuartigen Lebensmittels eine Sensibilisierung gegen Proteine von Acheta domesticus auslösen kann". Die Behörde empfiehlt daher, die Allergenität der Hausgrille weiter zu erforschen. Allergische Reaktionen könnten laut der Behörde vor allem bei Personen ausgelöst werden, die gegen Krebstiere, Weichtiere und Hausstaubmilben allergisch sind. Die EU-Kommission prüft derzeit die Möglichkeiten für nötige Forschungsarbeiten punkto Allergien. Bis Daten vorliegen, wird es keine Allergenkennzeichnung für Produkte mit Grillenpulver geben.

Proteste in Italien

Inkraft tritt die Freigabe der EU am 24. Jänner. Ab dann darf vorerst nur Cricket One für fünf Jahre das neuartige Lebensmittel in der Union in den Verkehr bringen. Danach dürfen auch andere Unternehmen das Grillenpulver vermarkten.

Insekten brauchen weniger Platz als andere Tiere und verursachen weniger Treibhausgasemissionen. Und obwohl viele Insekten reich an Proteinen, Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren sind, viele Mineralstoffe enthalten und doppelt so viel Eiweiß wie Rinder- oder Hühnerfleisch, wollen viele Menschen die Tierchen nicht auf ihrem Teller haben.

In Italien etwa protestierte die Regierungspartei Forza Italia gegen den EU-Beschluss. Die Partei bezeichnete die Genehmigung gar als "gefährlich". "Wir müssen äußerst vorsichtig sein und vermeiden, Lebensmittel als Alternativen zu unserer Ernährung zu fördern, deren ernährungsphysiologische und mögliche negative Auswirkungen wenig bekannt sind", sagte Francesco Battistoni, Vizepräsident des Umweltausschusses der italienischen Abgeordnetenkammer.

"Es ist falsch und irreführend, Insekten als nachhaltige Lebensmittel und Alternative zu unserer Ernährung zu erklären, weil sie weniger Auswirkungen auf die Umwelt haben", sagte Luigi Scordamaglia, Sprecher des Verbands Filiera Italia, der Konzerne der italienischen Landwirtschaft- und Lebensmittelindustrie vereint. Das seien nicht wahrheitsgemäße Behauptungen, denn unsere Ernährung "ist nicht nur hochwertig, sondern auch umweltschonend. In der Tat weist die italienische Agrar- und Ernährungswirtschaft mit 65 Milliarden Euro den höchsten Mehrwert in Europa auf, was Ausdruck ihrer Qualität ist", betonte Scordamaglia.

"Einfallstor"

Als "ekelige und fragwürde Problemlösung" bezeichnete der freiheitliche EU-Abgeordnete Georg Mayer die von der EU-Kommission zum Verkauf und Verzehr zugelassenen Produkte auf Basis von Insektenprotein. "Der Green Deal und die darauf aufbauende ‚Farm to Fork‘-Strategie, die eigentlich dem Stärken von Regionalität und der Begrenzung von Dünger- und Pestizideinsatz dienen soll, werden nun zum Einfallstor für Insektenimbisse", teilte Mayer via Aussendung mit.

Besonders gekennzeichnet werden müssen die Produkte nicht. Wer demnächst seine Lieblingspizza oder Schokolade in den Einkaufswagen legt, kann nur in der kleingedruckten Liste der Zutaten erkennen, ob das Produkt Insektenbestandteile enthält. (Bettina Pfluger, 19.1.2023)