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Die Superheldin für den ganzen Betrieb? Viele junge Menschen wollen das nicht sein.
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Ich möchte mich immer wieder weiterbilden können und nicht die große Verantwortung haben. Wenn ich die Arbeit verlasse, will ich keine Verpflichtungen mehr haben. Sätze wie diese fallen, wenn junge Menschen beantworten, warum sie sich bewusst gegen eine Führungsposition entscheiden. Die Generation Z und Y ist der Nachwuchs am Arbeitsmarkt, der meist ganz bestimmte Forderungen stellt: keine übermäßigen Überstunden, genug Freizeit, arbeiten von überall und nicht nur aus dem Büro.

Somit heißt das auch für viele eben keine Lust auf den Chefsessel. Denn sein Image ist in den Köpfen der Jungen meist nahezu furchteinflößend. Die Fürsorgerin für ein ganzes Team, jede Organisationsarbeit leisten, ständige Erreichbarkeit und kaum Freizeit. Nur noch die Arbeit steht im Fokus des Lebens, irgendwann folgen dann die Erschöpfung und das Burnout.

Dieses Bild haben viele junge Menschen aus Österreich im Alter von 18 bis 34 Jahren, mit denen der STANDARD gesprochen hat, über Führung. Die Karriere-Redaktion startete einen Aufruf mit der Frage, warum viele junge Menschen lieber auf eine Stelle in der Chefetage verzichten. Knapp 60 Personen meldeten sich, viele von ihnen sprachen über persönliche Beweggründe dafür, keine Chefs sein zu wollen.

Big Boss als Entscheidungshoheit? Nein, danke

Viele Ansichten wiederholten sich immer wieder. Vor allem der Wunsch nach genügend Zeit für Familie, Freunde und Hobbys sowie die Angst, die kreativen Aspekte der Arbeit aufgeben zu müssen hält viele Junge vom Wunsch nach dem Topjob ab. Dafür aber fordern die meisten einen radikalen Wandel der traditionellen Bossposition. "Der Workload wäre jetzt zu hoch", sagt die eine Arbeitnehmerin, "Führung verhindert eine agile Arbeitsweise", sagt der andere. Es soll mehr Kompromisse geben, eine Führungsposition mit Abschnitten also.

Chefin in Teilzeit, Doppelspitze mit geteilter Verantwortung und Belastung sowie Teamleitung aus dem Homeoffice sind Kombinationen, die sich für viele Junge attraktiver anhören. "Ich habe sogar abgelehnt, obwohl ich eine Gehaltserhöhung bekommen hätte", sagt eine 26-jährige Befragte. Viele Junge wollen eine faire Entlohnung ihrer Leistung – immer weiter und höher nach oben zu gelangen, immer reicher zu werden erscheint ihnen kaum erstrebenswert. Die Hauptsache ist die Freude, die Jungen wollen sich mit den Aufgaben entfalten, für die sie sich beworben haben. "Ich möchte mich lieber meinen Projekten widmen, als irgendwelche Managementaufgaben zu erledigen", erklärt ein 26-Jähriger.

Firmen mit Umgestaltung gefragt

Die genauen Vorstellungen und Forderungen des Nachwuchses machen es für Personalberatungen schwieriger, bestimmte Positionen zu besetzen. Charlotte Eblinger, Geschäftsführerin der Personalberatung Eblinger & Partner, nimmt dies seit geraumer Zeit wahr. Heute braucht sie doppelt so lange wie vor wenigen Jahren, Stellen zu besetzen. Es sei notwendig, sich für die neuen Forderungen zu biegen, um die guten Leute zu bekommen. "Es müssen mehr individuelle Pakete geschnürt werden, etwa Führung mit genügend Work-Life-Balance."

Denn wenn es für sie nicht passt, scheuen sich junge Leute heutzutage nicht, das Unternehmen wieder zu verlassen. Sie leben weniger Loyalität, sondern mehr Selbstverwirklichung. Das nimmt Diana Huber in ihrem Job als Karriereberaterin häufig wahr. Zu ihr kommen Menschen, die herausfinden wollen, wie und wo sie arbeiten möchten.

Von Kundinnen der Generation Z hört sie oft die gleichen Wünsche für den nächsten Job: Die Aufgaben müssen Spaß machen, die Kollegenschaft soll angenehm sein, und es soll viel Freiraum zur Entfaltung bleiben. Fragt sie nach der Zehn-Jahres-Perspektive und Führungswünschen, hört sie meistens ein "Das möchte ich eher nicht". Die Ursache ist meist klar: Arbeit und Leben sollen getrennt bleiben. "Manche würden zwar führen wollen, aber sie sind nicht bereit, den Preis dafür zu zahlen."

Dabei hat die junge Generation jetzt die Chance auf zahlreiche Führungsrollen. Der Arbeitsmarkt steckt mitten in einer Pensionierungswelle, bei vielen Firmen werden in den nächsten Jahren hunderte bis tausende Stellen frei. Laut Deloitte Österreich sind jedoch 60 Prozent der Firmen nicht auf die Nachbesetzung ihrer Toppositionen vorbereitet. Eblinger bleibt optimistisch: "Wenn zehn Prozent einer Generation führen wollen, reicht das." (Melanie Raidl, 21.1.2023)