Händler haben in der Pandemie verlorene Umsätze vielerorts zurückgeholt. Zahlreiche Stolpersteine bleiben.

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Der Kunde ist König. Es war ein Credo der Händler, mit dem sie ihre Mitarbeiter über Jahrzehnte dazu anhielten, länger zu arbeiten. Immer wieder wurde an der Uhr gedreht, um die Geschäfte unter der Woche bis in den späten Abend hinein offenzuhalten. Seit das Personal knapp und die Energie teuer sind, ist damit Schluss. Oberste Priorität vieler Unternehmen ist es, die Kosten gering zu halten und Arbeitnehmern Jobs im Verkauf schmackhafter zu machen. Ein wesentliches Instrument dazu sind frühere Sperrstunden quer durch Österreich.

Konzerne wie Ikea kürzten ihre Öffnungszeiten bereits infolge der Corona-Krise um eine Stunde auf 20 Uhr und kehrten bis heute nicht zu den früheren Geschäftszeiten zurück. Kastner & Öhler stieg im Herbst an seinem Hauptsitz in Graz ebenso auf die Bremse wie Handelsketten von Dorotheum bis zu Fussl.

Es werde immer schwieriger, Beschäftigten klarzumachen, bis 20 oder 21 Uhr anwesend sein zu müssen, da in dieser Zeit kaum Kunden kämen, sagt Karin Saey, die den Einzelhandel des Dorotheums leitet.

Media Markt hätte in der Vergangenheit nie kürzere Öffnungszeiten angedacht. Doch wo es Sinn mache, werde man diese künftig einschränken, meint der Chef der Elektrohandelskette, Alpay Güner. Es brauche ein Umdenken der Einkaufscenter, fordert Ernst Mayr, Eigentümer des Modehändlers Fussl, mit Blick auf Pönalen, die drohten, wenn Kernbetriebspflichten an Randzeiten nicht mehr eingehalten würden.

Profitieren Onlineriesen?

"Die Kundenfrequenz ist gesunken, die Kosten sind gestiegen", resümiert Kastner-&-Öhler-Chef Martin Wäg. Auch er appelliert an Shoppingcenterbetreiber, im Sinne der Effizienz nicht weiterhin auf längere Öffnungszeiten zu pochen.

Es gehe nicht darum, an gesetzlichen Ladenschlusszeiten zu rütteln, stellt Rainer Will, Chef des Handelsverbands, klar. Er erwartet sich von Einkaufszentren jedoch mehr Verständnis dafür, wenn Mieter früher zusperrten. Dass diese damit Internetriesen mehr Umsatz zuspielten – dieses Argument lässt Will nicht gelten. Vielmehr werde der stationäre Handel durch die hohen Kosten der langen Abendöffnung geschwächt.

In den meisten Einkaufscentern, die an Umsätzen, aber nicht an Kosten beteiligt sind, beißt die Branche auf Granit. "Ein Händler muss arbeiten, wenn der Kunde Zeit hat", betont Christoph Andexlinger, Chef der Spar SES, die 20 Shoppingcenter betreibt. Konsumenten seien wieder verstärkt in stationäre Geschäfte zurückgekehrt. "Es wäre ein völlig falsches Signal, jetzt in die Defensive zu gehen."

"Aus den Filialen treiben"

Peter Schaider, Eigentümer von Auhof Center und Riverside in Wien, hält nichts von Ladenöffnung bis 21 Uhr. Er erinnert aber daran, dass man Kunden einst kurz vor 19 Uhr aus den Filialen treiben musste – und auch Supermarktketten und Drogerien selten vor 20 Uhr zusperrten. Klar seien die Personalkosten aufgrund der Zuschläge ab 19 Uhr höher – Schaider will auch nicht in Abrede stellen, dass die Zahl der Kunden abends abnehme. Jene, die einkauften, gäben in der Regel aber mehr Geld aus. "Und sie müssen sich darauf verlassen können, dass alle Geschäfte geöffnet sind."

Mit Gastronomen sei er nicht so streng, den Händlern aber lasse er nichts durchgehen, "sonst machen sie, was sie wollen", stellt Richard Lugner klar, der seine Lugner City bis 21 Uhr offenhält. "Wer sich nicht daran hält, der muss gehen." Die Optikerkette Pearle etwa habe eine gute Stunde früher schließen wollen – mittlerweile sei sie ausgezogen.

Ernst Kirchmayr erwägt nach einer Umfrage unter Händlern in seiner Linzer Plus City, die Geschäftszeiten donnerstags und freitags von 21 auf 20 Uhr zu reduzieren, sagt er dem STANDARD. Der Grund dafür sei die enorme Kostenbelastung vieler Unternehmen. "Es muss aber allen bewusst sein, dass Umsatz in den Onlinehandel abwandern wird."

"Mehr Ertrag statt Service"

Marktforscher Andreas Kreutzer macht im Handel eine Kehrtwende hin zu gewisser Egozentrik aus. Der abendliche Verkauf habe sich schon früher nur bedingt gerechnet, sei jedoch Service am Kunden gewesen. Offenbar werde nun alles dem eigenen Ertrag untergeordnet. An dem habe es im Vorjahr über weite Strecken nicht gefehlt, ist sich Kreutzer sicher. Denn die höheren Kosten seien grosso modo eingepreist worden.

Verkürzen sich die Öffnungszeiten, was derzeit auch in der Gastronomie passiere, müsse dies im Umkehrschluss zu niedrigeren Preisen führen, gibt der Handelsexperte zu bedenken. "Dies sind Leistungskürzungen, die in der Industrie nie akzeptiert würden. Bei Dienstleistungen aber meinen viele Betriebe, es fällt niemandem auf."

"Besser als erwartet"

Das Jahr 2022 sei besser gelaufen als erwartet, sind sich Fussl, Media Markt, Kastner & Öhler und Dorotheum einig. Für 2023 stellen sie sich aufgrund des Mangels an Personal – 35.000 Stellen im Handel sind unbesetzt – und einer "Kostenlawine" auf härtere Zeiten ein. Stephan Mayer-Heinisch, Präsident des Handelsverbands, spricht von einem Tanz auf dünnem Eis. Das Eigenkapital vieler Unternehmen sei nach drei Jahren der Pandemie aufgezehrt.

Sein Verband fordert unter anderem eine steuerliche Gleichstellung von Fremd- und Eigenkapital. Mietvertragsgebühren gehörten abgeschafft. Es brauche Rechtsanspruch für flächendeckende leistbare Kinderbetreuung, um mehr Frauen zurück in den Arbeitsmarkt zu holen. Was höhere Kosten für Energie betrifft, will der Handel analog zur Industrie entschädigt werden. (Verena Kainrath, 19.1.2023)