In "clamorosen" Fällen stehen Arbeitgeber vor zusätzlichen Schwierigkeiten.

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Im Gastbeitrag erklärt Georg Schima, Rechtsanwalt für Arbeitsrecht, worauf Arbeitgeber bei Entlassungen achten müssen. Die Lage sei im Fall Teichtmeister nicht eindeutig gewesen.

Der Fall des Schauspielers Florian Teichtmeister lässt die Wogen hochgehen. Während wohl der ganz überwiegende Teil des Publikums völlig überrascht wurde, entsteht nun der Eindruck, als hätten im Kunst- und Kulturbetrieb ohnehin mehr oder weniger alle seit über einem Jahr Bescheid gewusst. Eine Rechtsanwältin erklärte im ORF apodiktisch, das Burgtheater habe mit seiner Entlassung viel zu spät gehandelt. Man hätte den Schauspieler schon Ende 2021 nach Bekanntwerden der Hausdurchsuchung zumindest suspendieren, besser aber gleich entlassen sollen. Der leugnenden Verantwortung des Beschuldigten käme kein besonderer Stellenwert zu, und eine Unschuldsvermutung gäbe es nur im Strafrecht.

So einfach liegen die Dinge aber keineswegs. Zunächst muss bei der Prüfung, ob "rechtzeitig" gehandelt wurde, unterschieden werden zwischen der Frage, ob eine Entlassung verspätet erfolgt und damit (trotz Entlassungsgrundes) unberechtigt ist, und der nun eine interne Untersuchung beschäftigenden Frage, ob sich die Entscheidungsträger im Burgtheater und in der Bundestheater-Holding sorgfaltskonform verhalten haben, indem sie nicht früher handelten.

Juristisch rechtzeitig?

Die Frage nach der Rechtzeitigkeit der Entlassung ist hier müßig, zumal der Schauspieler laut Medienberichten sein Arbeitsverhältnis selbst (anscheinend noch vor der Entlassung) beendet hatte. Klarzustellen ist aber, dass entgegen anderslautenden Aussagen ein Arbeitgeber beim Verdacht einer Straftat grundsätzlich sehr wohl den Ausgang der strafrechtlichen Ermittlungen oder sogar des ganzen Verfahrens abwarten darf, ohne eine Verfristung zu riskieren. Bei Straftaten ohne dienstlichen Zusammenhang, wo der Beschuldigte die Vorwürfe bestreitet, machen das Arbeitgeber auch immer wieder. Denn in solchen Fällen hat der Arbeitgeber gar nicht die Möglichkeit, die Vorwürfe intern zu klären und die Sachlage zu einem so starken Verdacht zu erhärten, dass eine Entlassung vertretbar ist.

Führt der Arbeitgeber jedoch – weil es sich um dienstliches Fehlverhalten handelt – eine interne Untersuchung, muss er diese zügig führen und darf bei ausreichender Erhärtung des Verdachts nicht dennoch den Ausgang des Strafverfahrens abwarten. Dennoch greifen Arbeitgeber auch im Falle strafbehördlicher Ermittlungen ohne dienstlichen Bezug manchmal zur Suspendierung oder versuchen eine einvernehmliche Lösung. Das hat seinen Grund primär darin, dass Arbeitgeber mögliche Reputationsverluste von sich fernhalten und sich im Falle eines Schuldspruches nicht vorhalten lassen wollen, zu spät reagiert zu haben. Solche Überlegungen haben aber primär Relevanz für öffentliche Unternehmen und/oder im Zusammenhang mit öffentlich bekannten Arbeitnehmern. Denn kein Hahn wird danach krähen, wenn zum Beispiel ein mittelständisches Handelsunternehmen einen x-beliebigen Mitarbeiter, gegen den wegen des Vorwurfs schwerer häuslicher Gewalt (den der Mitarbeiter bestreitet) strafrechtlich ermittelt wird, erst zwei Jahre später nach einer gerichtlichen Verurteilung fristlos entlässt.

Frühere Reaktion möglich?

Was bedeutet dies nun für den Fall Teichtmeister, und welche sinnvollen und rechtlich vertretbaren Möglichkeiten einer deutlich früheren Reaktion hatte insbesondere das Burgtheater?

Bekannt war offensichtlich schon Ende 2021, um wen es sich handelte und dass es eine Hausdurchsuchung wegen des Verdachts des Besitzes von kinderpornografischem Bildmaterial gegeben hatte. Wenn der Arbeitgeber keine weiteren Informationen hat, dann kommt aber dem Bestreiten der Vorwürfe durch den Beschuldigten sehr wohl Bedeutung zu, wenn es darum geht zu ermitteln, ob die verantwortlichen Organe des Arbeitgebers die gebotene Sorgfalt einhalten. Aufgetischt wurde angeblich die Geschichte einer rachsüchtigen Partnerin.

Der Versuch eines Anschlusses als Privatbeteiligter im Strafverfahren, verbunden mit dem Begehren nach Akteneinsicht, wäre wohl gescheitert. Zumindest hätte es großer Fantasie bedurft, vermögensrechtliche Ansprüche des Burgtheaters zu formulieren. Natürlich hätte dieses Herrn Teichtmeister fragen können, ob er auf freiwilliger Basis dem Arbeitgeber Einsicht gewährt. Gebracht hätte aber auch das wohl nicht viel, weil in so einem Fall die Staatsanwaltschaft zur Hintanhaltung einer Gefährdung der Untersuchung zunächst und unter Umständen für längere Zeit auch dem Beschuldigten die Akteneinsicht verweigert. Abgesehen davon gebieten es die aus dem Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung zu gewinnenden rechtlichen Wertungen, dass ein Arbeitgeber nicht einfach negative Folgen ableiten kann aus der bloßen Tatsache der Bestreitung der Vorwürfe und der – vielleicht auf Anraten seines Anwaltes erklärten – Weigerung, in eine Akteneinsicht zugunsten des Arbeitgebers einzuwilligen.

Öffentliche Fälle

Zwei wichtige Aspekte sind vor der Ergreifung arbeitsrechtlicher Sanktionen – zumal in "clamorosen" Fällen – zu beachten:

Verhaltensweisen im Zusammenhang mit Kindesmissbrauch bzw. Kinderpornografie zählen zu den sozial am meisten geächteten Straftaten, und das nicht ohne Grund. Vielleicht nicht in der Finanzbranche, aber wohl im Kunst- und Kulturbereich ist ein verurteilter Bankräuber sicher eher resozialisierungsfähig als ein wegen Besitzes tausender Abbildungen mit Kindesmissbrauchsdarstellungen Verurteilter. Es geht daher bei der gebotenen Ex-ante(!)-Betrachtung nicht nur und gar nicht primär um den Ruf des Arbeitgebers, sondern um den unter dem Schutz der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers stehenden Ruf des beschuldigten Arbeitnehmers. Und dieser kann auch durch eine bloße (sich später als ungerechtfertigt erweisende) Suspendierung irreparabel zerstört werden. Bei einer österreichweit bekannten Person gilt das umso mehr. Denn lebensfremd ist die von einem Regisseur in "Zeit im Bild" geäußerte Einschätzung, eine Suspendierung wäre die beste Möglichkeit gewesen, weil man sich im Falle der Entkräftung der Vorwürfe ganz einfach hätte vor die Medien stellen und sagen können, es sei nichts dran an der Sache.

Auch aus einem anderen Grund ist eine leichtfertige Entlassung für den Arbeitgeber rechtlich nicht risikolos: Ein Arbeitnehmer, der ohne Entlassungsgrund entlassen wird, ist finanziell so zu stellen, als ob er zum nächstmöglichen Termin ordnungsgemäß gekündigt worden wäre. Diese Ansprüche des Entlassenen setzen kein Verschulden des Arbeitgebers voraus, sondern stehen auch zu, wenn der Arbeitgeber aufgrund einer absolut vertretbaren (sich aber vor Gericht als unrichtig erweisenden) Rechtsansicht die Entlassung aussprach. Trifft den Arbeitgeber jedoch auch ein Verschulden an der Entlassung, weil er zum Beispiel fahrlässig einen ausreichenden Verdacht annahm oder gar willkürlich handelte, um den Arbeitnehmer um seine Ansprüche zu bringen, dann hat dieser Anspruch auf "weitergehenden Schadenersatz" (§ 29 Abs 1 AngG). Und dieser Schadenersatz umfasst auch – wenngleich in der Praxis schwer zu beweisende – finanzielle Nachteile, die der Arbeitnehmer wegen der nicht nur objektiv, sondern schuldhaft ungerechtfertigt ausgesprochenen Entlassung in Form künftiger Entgelteinbußen auf dem Arbeitsmarkt erleidet. Dasselbe gilt für – in der Regel leicht beweisbare – vor Gericht nicht ersatzfähige Kosten.

Es gibt also gute Gründe, gerade in Fallkonstellationen wie der vorliegenden als Arbeitgeber bei der Vornahme von Sanktionen sehr vorsichtig und sorgfältig vorzugehen und die Interessen genau abzuwägen. Dass diese Interessenabwägung in so einem Fall, wie behauptet wurde, stets zugunsten des Arbeitgebers ausgehen muss, stimmt eindeutig nicht. (Georg Schima, 20.1.2023)