Dass bereits unter dem türkisen Altkanzler Sebastian Kurz ein riesiger Apparat für Öffentlichkeitsarbeit im Kanzleramt (BKA) aktiv war, ist hinlänglich bekannt. Das hat sich auch unter seinem Nachfolger Karl Nehammer (ÖVP) nicht verändert. Konkret sind im Kanzleramt 97 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – rund 85 Vollzeitbeschäftigte – mit PR beschäftigt. Hinzu kommen noch sieben Pressesprecherinnen und Pressesprecher. Mit so viel Personal können viele Zeitungsredaktionen Österreichs wohl nicht aufwarten.

Die Kosten für all das belaufen sich auf mehr als 450.600 Euro monatlich. Das geht aus der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der SPÖ-Abgeordneten Julia Herr hervor. "Die Rekordteuerung belastet die Bevölkerung, und Nehammer gönnt sich ein riesiges PR-Budget und über 100 MitarbeiterInnen, um vom eigenen Versagen abzulenken", poltert Herr im Boulevardblatt Österreich. "Je schlechter die Vertrauenswerte, umso mehr Personal und Geld wird im Kanzleramt für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit aufgewendet."

Seit 6. Dezember 2021 führt Karl Nehammer (ÖVP) die Geschicke im Bundeskanzleramt.
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Aber womit sind die 104 PR-Mitarbeiter im Kanzleramt eigentlich beschäftigt? Nehammers Sprecher Daniel Kosak rückte auf Twitter aus und versuchte die Sache aufzuklären. Gemäß Kosaks Aufstellung hat sich der Personalstand zwischen November 2017 – also vor der türkis-blauen Regierung unter Kurz – und Oktober 2022 kaum verändert. Grob zusammengefasst seien stets in etwa 70 Planstellen, um die 100 Köpfe und mehr als 80 Vollzeitkräfte mit Kanzleramts-PR beschäftigt gewesen.

Laut ÖVP auch Bürgerservice in Plan

Laut Kosak arbeiten auch nicht alle davon in der "klassischen politischen Kommunikation". Darin enthalten seien auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des unter Kurz aufgelösten Bundespressediensts. "Dieses Team organisiert logistische PKs, Ministerratsfoyers, Klausuren, Akkreditierungen", schreibt Kosak. "Sie sorgen dafür, dass die notwendige Technik zur Verfügung steht, dass Medien aus dem In- und Ausland dauerhaften (oder temporären) Zugang zum BKA bekommen usw."

In den Personalplan fällt laut Nehammers Sprecher auch das Bürgerservice des Kanzleramts. Dieses beantworte im Wesentlichen Anfragen zu allerlei politischen Themen – von der Corona-Pandemie bis zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine – und nehme "allgemeines Lob und Kritik an der Bundesregierung" entgegen, wie aus einem geposteten Screenshot Kosaks hervorgeht.

Darüber hinaus gebe es im Kanzleramt auch ein Team, das "nahezu rund um die Uhr" Medienbeobachtung betreibe. Ein anderes sei wiederum unter anderem mit der Webseite und den offiziellen Social-Media-Kanälen des BKA betraut.

Stocker attackiert Pressedienst der Stadt Wien

Am Samstag legte ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker nach: Er attestierte der SPÖ in einer Aussendung "Doppelmoral". Denn die "wahren Propaganda-Hochburgen Österreichs" seien die SPÖ-geführten Bundesländer Burgenland und Wien. So seien im Presse- und Informationsdienst der Stadt Wien rund 110 Mitarbeiter beschäftigt und Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) habe drei Pressesprecher. (red, 20.1.2023)