Wien – Martin Rohla nannte Habibi & Hawara ein Leuchttumprojekt. Der österreichische Investor wollte mit der Restaurantkette in Kriegsflüchtlingen den Unternehmergeist wecken und Menschen in schwierigen persönlichen Lagen neue Perspektiven bieten. Nun aber steckt sein sozial-ökonomischer Betrieb trotz Unterstützung der Stadt Wien selbst in einer tiefen Krise.

Vier der fünf Restaurants sperren zu. Nur der Standort in Wien-Landstraße soll erhalten bleiben
Foto: Christian Fischer

Habibi & Hawara schlitterte in die Insolvenz und beantragte ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung. Vier der fünf Standorte schließen, lassen Gläubigerschützer wissen. Das Gastronomieunternehmen häufte in den sechs Jahren seines Bestands Schulden in Höhe von 2,3 Millionen Euro bei rund 50 Gläubigern an. Der Creditreform zufolge sind 67 Dienstnehmer betroffen.

Toxischer Mix

Habibi & Hawara berichtet von einem Mix aus Corona, hoher Inflation, damit verbundenen Umsatzeinbußen, steigenden Energiekosten, teuren Mieten und kostspieligeren Lebensmitteln, die auch vor der Sozialwirtschaft nicht haltmachten.

Der Bilanz zufolge summierten sich die Verluste des Unternehmens, das auch Rewe mit überwiegend veganem Sortiment beliefert, bereits 2020 auf 1,45 Millionen Euro – bei einem Umsatz von 1,2 Millionen Euro.

2021 stiegen diese auf fast 1,6 Millionen, während der Umsatz auf 590.000 Euro einbrach. In beiden Jahren war das Eigenkapital negativ. Darlehen über Crowdfunding halfen dabei, den Bestand zumindest kurzfristig zu sichern. Vergangenen Herbst holte die Stadt Wien den Betrieb über das Beteiligungsvehikel "Stolz auf Wien" unter ihren Schutzschirm.

18 Millionen Euro hat die kommunale Gesellschaft bisher in 36 Unternehmen investiert, um deren finanziellen Nöte zu lindern. Bedingung dafür ist, über drei Jahre hinweg keine Dividende auszuschütten oder Arbeitsplätze abzubauen. Habibi & Hawara ist nicht das erste Engagement der Stadt, das scheiterte. Erst jüngst musste die Biobäckerei Gragger Insolvenz anmelden.

Enorme Schulden

Mario Pulker, Obmann der Gastronomie, überrascht bei Habibi & Hawara das große Ausmaß der Verbindlichkeiten. "Wenn man als Wirt ein Jahr lang nichts verdient, sollte man sein Betriebskonzept prüfen."

Pulker lobt Sozialprojekte, sieht dafür jedoch weniger private Unternehmer als die öffentliche Hand zuständig. Unternehmen wie diese benötigten Zuschüsse. Es könne nicht sein, dass bei Problemen Gläubiger und Lieferanten mitgerissen würden. Mit Skepsis beobachtet Pulker die Initiative "Stolz auf Wien". "Gibt es Reportings? Wer prüft sie?"

Für den Wiener Gastronomiespartenobmann Peter Dobcak ist die aktuelle Pleite eine von vielen, die in der Branche heuer folgen werden. Corona und Energiekrise seien nur der Brandbeschleuniger gewesen, sagt er. Die Liquiditätsdecken vieler Betriebe seien seit langem dünn.

"Falle schnappt zu"

Etliche Wirte hätten das an sich gute Geschäft von Herbst bis Jahresende 2022 noch abgeschöpft – "jetzt aber schnappt die Falle zu." Energievorauszahlungen kämen am laufenden Band. "Wie soll ein Gastronom Kosten von 500.000 Euro statt bisher 50.000 unterbringen?"

Doch erlebt die Branche nicht gerade einen Boom? Viele Lokale sind ausgebucht. Neueinsteiger lösen aktuell mehr Gewerbescheine als vor der Pandemie. Gut unterwegs seien die gehobene Gastronomie und Imbissstände, sind sich die zwei Branchenvertreter einig. Marktbereinigung aber erlebten Betriebe in der Mitte. Am Ende des Tages helfe auch sozialer Einsatz nicht, sagt Pulker. "Das Essen muss schmecken und die Betriebswirtschaft stimmen."

Rohla zufolge, der Business Angel des Jahres 2021 war, hat Habibi & Hawara mehr als 100 Flüchtlingen aus 15 Nationen den Einstieg ins Berufsleben erleichtert. Bestehen bleibt derzeit der Standort Landstraße. Um Headquarter und Webshop abzusichern, laufen Investorengespräche. Rohlas bisheriger Rat an Start-ups: Jedes Problem sei eine versteckte Chance. (Verena Kainrath, 20.1.2023)