Katharina Marchgraber betreibt einen Vintage-Laden im Wiener Servitenviertel. Doch die meisten exotischen Stücke, gesteht sie, bleiben in ihrer Wohnung hängen und landen an Wänden und in Regalen.

"Meine Wohnung ist ein sehr persönlicher Bereich. Ich wohne hier gemeinsam mit meinem Sohn, und wir haben eher selten Besuch. Das soziale Halligalli spielt sich meist außerhalb der Wohnung ab, bei Freunden und Freundinnen, im Lokal, im Urlaub, wo auch immer. Insofern fühlt es sich ein bissl eigenartig an, dass jetzt gerade in diesem Augenblick zehntausende Menschen diesen Text lesen und Einblick in mein Wohnzimmer bekommen. Es ist, als würde ich mit diesem Wohngespräch ein Stück meiner Seele preisgeben. Aber egal. Jetzt sind Sie da, und ich erzähle Ihnen, warum alles ist, wie es ist.

Katharina Marchgraber hat in ihrer Wohnung im neunten Bezirk viel Platz zum Sammeln. Die josephinische Vitrine ist ein Lieblingsstück.
Foto: Lisi Specht

Ich betreibe einen Shop mit Vintage-Möbeln und Accessoires namens Catrinette, gleich ums Eck, in der Porzellangasse, am Rande des Servitenviertels. Auch privat habe ich eine ausgeprägte Sammelleidenschaft, durch die sich in all den Jahren eine Menge an Dingen angesammelt hat. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich gar nicht Verkäuferin bin, sondern eigentlich nur eine private, leidenschaftliche, hoffnungslose Sammlerin, die es ab und zu schafft, sich von einem Gegenstand zu trennen und diesen ins Geschäft zu bringen.

Das Sammeln ist Ausdruck eines gewissen Jagd- und Spieltriebs. Wo auch immer ich bin, schaue ich mich in Geschäften und auf Flohmärkten um, wobei ich ein ausgeprägtes Faible für lustiges No-Name-Design habe, das sich eben nicht durch große Namen und hohe Preise auszeichnet, sondern durch Schönheit, Charisma, Individualität. Je seltener und exotischer ein Ding, desto besser.

Wovon ich mich sicher niemals trennen würde? Von meinen Kokeshi-Puppen, die auf der Ladenkommode neben mir stehen. Das sind kleine japanische Holzpuppen, meist ohne erkennbare Arme und Beine, dafür sind sie recht aufwendig mit traditionellen Ornamenten und Gesichtsausdrücken bemalt. Ich freue mich jedes Mal aufs Neue, wenn ich irgendwo auf der Welt wieder einmal einer Kokeshi-Puppe über den Weg laufe.

Bis das richtige Sofa daherkommt, bleibt es beim Provisorium aus Decken und Matratzen.
Fotos: Lisi Specht

Die Wohnung befindet sich im Servitenviertel, in einem schönen gründerzeitlichen Haus. Sie hat 96 Quadratmeter, gefunden habe ich sie vor neun Jahren über ein Inserat. Die Corona-Lockdowns waren ehrlich gesagt nicht wirklich unangenehm für mich, denn ich habe die Zeit genutzt, um mich neu zu sortieren, mich durch die Schränke und Laden zu wühlen und eine kleine Reise durch meine zusammengesammelte Welt zu unternehmen. Ganz so wie einst Xavier de Maistre in seinem Roman Die Reise um mein Zimmer.

Ich liebe diese Wohnung, aber ich habe mit dem Umzug ins Servitenviertel gelernt, dass Wohnqualität nicht nur von der Beschaffenheit der Wohnung alleine abhängt, sondern viel mit der Umgebung zu tun hat. Wir leben hier in einer Bubble, jeder kennt jeden, das Leben ist schön und hedonistisch. Ich empfinde das Wohnen und Arbeiten an diesem Ort als ein Privileg. Im Sommer sitze ich manchmal mit einer Tasse Kaffee vor dem Geschäft und komme aus dem Winken und Hallo -Sagen nicht mehr heraus. Wir leben hier in einem Dorf.

Von ihren Kokeshi-Puppen könnte sich Katharina Marchgraber nie trennen.
Fotos: Lisi Specht

Eines meiner Lieblingsstücke ist übrigens die josephinische Vitrine mit Laden und Glastüren, Ende 18. Jahrhundert. Früher wurden darin, soviel man von solchen Möbeln weiß, teure und exquisite Wertgegenstände aufbewahrt.

Ich sammle darin kleine Büchlein, Figuren, Vasen, Spielzeug, Papageien, Muscheln und Miniaturschuhe. Und alle heiligen Zeiten, wenn’s mich überkommt, weil ich wieder mal unrund bin, räume ich alles raus, entstaube es und sortiere die Sachen wieder ganz neu ein.

Ich bin mit meinem Wohnen alles in allem sehr zufrieden. Auch mein Sohn hat sich damit abgefunden, dass seine Mutter einen Sammeltrieb hat. Das Einzige, was mir jetzt noch fehlt, ist ein g'scheites Sofa. Ein billiges Übergangssofa aus Schweden kommt mir nicht in die Wohnung, und so leben wir seit Jahren mit einem Provisorium aus Decken und Matratzen. Eine ziemlich suboptimale Lösung, ich geb's zu. Aber wäre ja auch fad, wenn alles perfekt wäre." (Wojciech Czaja, 23.1.2023)