Gedenken an das Mobbingopfer Dr. Lisa-Maria Kellermayr auf dem Wiener Stephansplatz. Die Ärztin beging Suizid.

Foto: Robert Newald

Ein knappes halbes Jahr nach dem Suizid der oberösterreichischen Landärztin Lisa-Maria Kellermayr ist die Suche nach der Person gescheitert, die der Oberösterreicherin Morddrohungen geschickt hat. Wie die Berliner Generalstaatsanwaltschaft auf Anfrage des STANDARD erklärte, sind entsprechende Ermittlungen am 12. Jänner eingestellt worden. Zuerst hatte das Ö1-"Morgenjournal" darüber berichtet.

Die deutschen Behörden hatten mehrere Monate versucht, die Identität derjenigen Person zu klären, die Kellermayr in zwei E-Mails angekündigt hatte, die Ärztin und ihre Mitarbeiter in der Ordination bestialisch abzuschlachten. Die Staatsanwaltschaft Berlin und das Landeskriminalamt arbeiteten mit den Hinweisen, die sie von der Staatsanwaltschaft Wels übermittelt bekommen hatten.

Doch die Informationen der österreichischen Kollegen waren offenkundig zu dürftig. Es lag wohl lediglich eine E-Mail-Adresse des Bedrohers vor. Der Urheber hatte den Account aber im Darknet unter falschem Namen angelegt und verschleierte so seine wahre Identität. Eine weitere Möglichkeit zur Verifizierung der E-Mail-Adresse bestand nicht.

Im Rechtshilfeersuchen aus Österreich waren auch die Namen zweier Staatsbürger genannt worden – Namen, die dem STANDARD bekannt sind. Doch auch hier kamen die Ermittler nicht weiter.

Keine Erkenntnisse

Einer der Männer ist kein Unbekannter in der rechtsextremen Berliner Szene. "Die Person, die wir befragt haben, stritt ab, die Drohungen gegen Frau Dr. Kellermayr formuliert und ihr geschickt zu haben", erklärt Oberstaatsanwalt Sebastian Büchner von der Generalstaatsanwaltschaft Berlin. "Es gibt keinen Nachweis dafür, dass diese Person die Unwahrheit gesagt hat."

Hinsichtlich des zweiten Namens brachten die Ermittlungen ebenfalls keine Erkenntnisse. Schon zu Beginn der Ermittlungen gab es Zweifel, ob die Person überhaupt existiert. Das hat sich Büchners Worten zufolge bestätigt: "Wir gehen zum jetzigen Wissenstand davon aus, dass diese zweite Person nicht existiert."

Ein weiteres Verfahren im Zusammenhang mit dem Fall Kellermayr läuft in Bayern. Die Generalstaatsanwaltschaft München ermittelt gegen einen Mann. Der 60-Jährige hat Kellermayr in E-Mails und öffentlich auf Twitter beleidigt und bedroht, allerdings ohne konkrete Tötungsfantasien. Wegen mehrerer zurückliegender Delikte ist der Mann polizeibekannt. Dieses und ein weiteres Verfahren der Staatsanwaltschaft Wels gegen unbekannt könnten demnächst abgeschlossen werden, berichtete Ö1. Eine Anfrage des STANDARD in München blieb bislang unbeantwortet.

Hassmails unterschätzt

Die oberösterreichische Landärztin Lisa-Maria Kellermayr hatte sich nach Beginn der Corona-Pandemie in Interviews und sozialen Netzwerken für Impfungen ausgesprochen. Nachdem sie kritisiert hatte, dass Impfgegner und Corona-Leugner den Platz vor dem Klinikum in ihrer Heimatstadt Wels blockierten, erhielt Kellermayr zahlreiche Hassmails mit Beleidigungen und Drohungen. Die österreichischen Sicherheitsbehörden hielten die Hassmails lange für nicht besonders gefährlich, Kellermayr schon. Um den Betrieb ihrer Ordination in Seewalchen am Attersee aufrechtzuerhalten, finanzierte sie auf eigene Kosten umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen sowie einen Wachdienst. Die Drohungen setzten der 36-Jährigen psychisch zu und trieben sie in den finanziellen Ruin. Im Juni 2022 schloss Kellermayr ihre Praxis, Ende Juli nahm sie sich dort das Leben. (Oliver Das Gupta, 20.1.2023)