Mikrochips sind aus vielen Bereichen nicht mehr wegzudenken. Noch gibt Asien dort den Takt vor.

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Corona war ein Schock und heilsam zugleich. Mit einem Mal wurde einer breiten Öffentlichkeit vor Augen geführt, wovor einsame Rufer lange erfolglos gewarnt hatten: Gibt es Probleme in Asien, insbesondere in China, hat das aufgrund der Sonderstellung des Landes schwerwiegende Konsequenzen für den Rest der Welt. In dem Fall war es ein Virus, nächstens könnte es ein Krieg sein.

Fast gleichzeitig haben sich deshalb die EU und die USA aufgemacht, eine Strategie auszuarbeiten, um Schlüsseltechnologien, wie es auch und gerade die Mikroelektronik ist, wieder zurückzuholen bzw. vor Ort neu zum Blühen zu bringen. Schlüsseltechnologie deshalb, weil Mikroelektronik mit Halbleitern, Chips und allem Drumherum in alle Lebensbereiche hineinspielt.

Mit 43 Milliarden Euro will die EU den Auf- und Ausbau der Halbleiterindustrie ankurbeln. Festgehalten ist das im European Chips Act, der auch Kriterien für Förderungen festschreibt.

European Chips Act

Nach rund zwei Jahren Vorarbeit hat sich der Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie des EU-Parlaments auf einen Text geeinigt. Kommenden Dienstag wird darüber abgestimmt. Im Februar soll der Chips Act dann in Straßburg beschlossen werden, sodass EU-Parlament, EU-Kommission und der Rat der Staats- und Regierungschefs ab März im Trilogverfahren um die finale Version ringen können.

"Der Chips Act ist ein erster, wichtiger Schritt; man sieht, das Thema ist auf der Agenda. So wie das angelegt ist, wird es nicht reichen, da muss mehr kommen", sagte AT&S-Chef Andreas Gerstenmayer dem STANDARD.

Andreas Gerstenmayer, CEO der Technologieschmiede AT&S mit Werken in der Steiermark (Leoben/Hinterberg, Fehring), Indien, China, Südkorea und demnächst auch Malaysia.
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AT&S mit Sitz in Leoben/Hinterberg in der Steiermark hat sich vom kleinen Serviceanbieter für die internationale Chipindustrie zum Entwickler und Produzenten von IC-Substraten gemausert, das sind Verbindungsstücke zwischen Halbleitern (Chips) und Leiterplatten. In Zukunft will AT&S die Fertigungstiefe weiter erhöhen und noch mehr hineinpacken.

Ausbau in Leoben

Dazu dient eine 500-Millionen-Euro-Investition, die für die Entwicklung der angepeilten Paketlösungen gerade in Leoben umgesetzt wird. Vor Weihnachten war Dachgleiche, parallel ist mit dem Innenausbau begonnen worden. Im April wird laut Gerstenmayer das erste Equipment eingebracht, 2024 sollen die ersten Produkte in Pilotserien produziert werden. Im Endausbau wird sich der Mitarbeiterstand in Leoben von derzeit 1.450 auf über 2.000 erhöhen.

Die Hauptkritikpunkte von Gerstenmayer am Chips Act in der geplanten Form: Wichtige Teile der Wertschöpfungskette würden ausgeblendet, das Programm sei auf größere Länder zugeschnitten, beim Volumen hinke man anderen Regionen und Einzelstaaten hinterher. Was fehlt in der Wertschöpfungskette? Laut Gerstenmayer ist der Chips Act zu siliziumlastig. Eine Chipproduktion, ohne zumindest Teile der vor- und nachgelagerten Komponentenfertigung in Europa anzusiedeln und auch entsprechend zu unterstützen, sei zu kurz gedacht. Asien sei im Bereich Mikroelektronik abgesehen von den deutlich niedrigeren Arbeitskosten auch insofern stark, als sich dort im Laufe der Zeit ein Ökosystem verschiedenster Unternehmen herausgebildet habe. Das fehle großteils in Europa genauso wie in den USA.

Wenig frisches Geld

Statt des Förderschirms, unter dem sich tatsächlich nur 3,3 Milliarden Euro an frischem Geld befinden, der Rest ist aus anderen Programmen abgezweigt, wäre ein europäischer Fund das probatere Mittel, um die Halbleiterindustrie in der Fläche voranzubringen. Weil ein Großteil der Hilfen laut derzeitigem Plan aus nationalen Budgets aufgebracht werden soll, kommen aufgrund der Summen, um die es geht, laut Gerstenmayer derzeit nur drei Staaten dafür infrage: Deutschland, Frankreich und eventuell noch Italien.

Dass die 43 Milliarden Euro für einen Befreiungsschlag reichen, sei zu bezweifeln. Gerstenmayer verweist auf die USA und China, die alles in allem über 250 bzw. an die 150 Milliarden Dollar in die Halbleiteroffensive steckten. (Günther Strobl, 21.1.2023)