Das Triumvirat von Ramstein: Boris Pistorius (Deutschland), Lloyd Austin (USA) und Olexij Resnikow (Ukraine; v. li.).

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Zu Beginn des nunmehr dritten Treffens der hochrangig besetzten Ukraine-Kontaktgruppe am Freitag auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein im deutschen Rheinland-Pfalz muteten die Statements der maßgeblichen Akteure nicht eben optimistisch an.

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin sagte der Ukraine unter den Augen von insgesamt rund 50 Verteidigungsministerinnen und -ministern von Nato-Staaten und anderen mit der Ukraine verbündeten Ländern einmal mehr alle Unterstützung zu – solange dies erforderlich sei. Nun, so Austin, sei nicht die Zeit nachzulassen – ganz im Gegenteil. Man sei an einem "entscheidenden Moment für die Ukraine in einem entscheidenden Jahrzehnt für die Welt" angelangt.

Beharrliche Forderungen

Sein Land, die USA, gehe hier mit gutem Beispiel voran, sagte Austin und verwies auf ein neues, 2,5 Milliarden US-Dollar schweres Hilfspaket für die ukrainische Armee, in dem auch 59 Bradley-Schützenpanzer enthalten sind. Und auch das vergleichsweise kleine Finnland spendet Kiew weitere Militärgüter im Wert von etwa 400 Millionen Euro, wie das Verteidigungsministerium am Freitag mitteilte.

Wolodymyr Selenskyj, als ukrainischer Präsident so etwas wie der eigentliche Hauptprotagonist des Treffens, erhöhte ebenfalls den Druck auf den Westen, als er in einer seiner bereits vertrauten Videobotschaften zu weiteren Waffenlieferungen einschließlich Kampfpanzern aufrief. "Wir müssen schnell handeln", sagte Selenskyj. "Der Kreml muss verlieren."

Deutschland unter Druck

Dass der Ukrainer seinen Appell konkret an Deutschland adressieren würde, war freilich schon vor dem hochkarätigen Treffen festgestanden. Dominierender Tagesordnungspunkt: die Lieferung von Kampfpanzern an Kiew. Die Regierung in Berlin war zuletzt auch international unter Druck geraten, ihren Widerstand gegen die Lieferung der von Kiew begehrten Leopard-2-Panzer aufzugeben. Polen etwa hatte zuletzt laut darüber nachgedacht, das entsprechende Panzermodell auch ohne die sonst übliche Genehmigung aus Deutschland in die Ukraine zu schicken.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell erklärte, man müsse der Ukraine alle Waffen geben, die sie brauche, um ihr Territorium zurückzuerobern. Einige EU-Länder seien bereit, diese zu liefern – "und ich hoffe, dass diese Entscheidung getroffen wird". Litauens Verteidigungsminister Arvydas Anušauskas sagte, mehrere EU-Länder würden "definitiv" Leopard-2-Panzer schicken.

Auch die emotionale Rede von US-Verteidigungsminister Austin tat das Ihre, um Berlin zu einer Kursänderung zu bewegen: "Das ukrainische Volk sieht uns zu. Der Kreml sieht uns zu. Und die Geschichte sieht uns zu", sagte Austin.

Neuer Verteidigungsminister

Und tatsächlich schien in Berlin, das in Ramstein von dem neuen Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) vertreten war, etwas in Bewegung zu kommen. Eifrig bemühte sich die Regierung angesichts des Drucks ihrer Verbündeten um gesichtswahrende Maßnahmen: So dementierte Sprecher Steffen Hebestreit am Vormittag, dass es ein Junktim zwischen der Lieferung von US-Abrams-Kampfpanzern und der Leopard-Lieferung an die Ukraine gebe. Die Linie Berlins bleibe dieselbe: Man wolle sich mit den Verbündeten, allen voran den USA, eng abstimmen – und das ungeachtet dessen, was in Ramstein besprochen werde. Auf das angekündigte Vorpreschen Polens angesprochen, sagte Hebestreit, ihm sei keinerlei Ansuchen Warschaus für eine Exportgenehmigung von Leopard-2-Panzern bekannt.

Neominister Pistorius, der erst zu Beginn der Woche die glücklose Christine Lambrecht in Berlin ablöste, versuchte am Nachmittag, die Aufmerksamkeit von den Leopard-Panzern abzulenken, und erklärte "Luftverteidigung, Luftverteidigung, Luftverteidigung" zur obersten Priorität. Zur Erlangung dieser sei Berlin zu weiterer Milliardenhilfe bereit – etwa durch die mit den USA abgestimmte Lieferung eines Patriot-Raketenabwehrsystems.

In puncto Leopard erklärte Pistorius, er habe den Auftrag erteilt, Verfügbarkeit und Stückzahl dieser Panzer zu prüfen. Die Entscheidung über eine Lieferung werde "so bald wie möglich" getroffen.

Drohungen aus dem Kreml

Der Kreml gab sich ob der westlichen Uneinigkeit demonstrativ gelassen. Die diskutierten Panzer machten auf dem Schlachtfeld keinen Unterschied, sagte Sprecher Dmitri Peskow am Freitag – und fügte doch noch eine grimmige Warnung an: Stattdessen würden sie nur weitere Probleme für die Bevölkerung der Ukraine bedeuten. Der Westen werde es noch bereuen, Panzer in die Ukraine zu liefern. (Florian Niederndorfer, 20.1.2022)