Schnee wirft vor österreichischen Gerichten immer wieder Haftungsfragen auf.

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Eine Mieterin hat vor dem Obersten Gerichtshof (OGH) einen Sieg gegen ein Unternehmen erzielt, das für den Winterdienst in ihrer Wohnhausanlage verantwortlich war. Die Bewohnerin verletzte sich auf einer eisglatten Stelle im Kreuzungsbereich eines Gehwegs, nachdem ein Mitarbeiter des Unternehmens den Schnee in die Ecke geschoben hatte. Das Schmelzwasser war in der Nacht gefroren und hatte einen Eisfleck gebildet, auf dem die Frau ausrutschte (OGH 13.12.2022, 2 Ob 198/22i).

Sie verlangte daraufhin Schmerzengeld und warf dem Unternehmen vor, dass der zuständige Mitarbeiter die Gefahrensituation grob fahrlässig herbeigeführt hat. Das Unternehmen trage eine Mitschuld, schließlich habe es den Mitarbeiter nicht ordnungsgemäß kontrolliert. Es sei wegen des Gefälles "mit Sicherheit zu erwarten gewesen", dass das Schmelzwasser vom Schneehaufen zu einem nahegelegenen Kanaldeckel fließt. Auch die Glatteisbildung sei aufgrund der Temperaturschwankungen absehbar gewesen.

Gefahr war "erkennbar"

Das Landesgericht Wien und das Oberlandesgericht Wien wiesen die Klage ab. Es sei nicht bewiesen worden, dass sich die Sturzstelle innerhalb des Bereichs des Gehwegs befand, für den der Winterdienst verantwortlich war.

Der OGH sah das nun anders: Er gab der Revision der Mieterin Folge und sprach Schmerzengeld zu. Das Unternehmen habe seine Pflicht, die Gehwege eisfrei zu halten, verletzt. Es sei erkennbar gewesen, dass das Schmelzwasser des Schneehaufens über den geräumten Gehweg in Richtung des Kanaldeckels fließe. Der Winterdienst hafte deshalb für den Unfall. Dass die Sturzstelle in einem Bereich lag, der vom Unternehmen eigentlich nicht geräumt werden musste, ändere daran nichts. Mit dem Schneehaufen sei nämlich eine zusätzliche Gefahrenquelle geschaffen worden. (japf, 21.1.2023)