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Die "Landesmutter" wirbt mit einem alten Wort

MUTTERSPRACHE: "Muttersprache: Niederösterreich" ist auf einem Plakat von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), zu lesen. Die übrigen acht Bundesländer nahmen bisher an, dass "Niederösterreich" ebenfalls ein Land ist. Denn als Sprache bräuchte es dafür ja noch das "-isch".

Wie auch immer. Das Wort reiht sich scheinbar in die Beispiele für Spuren der matriarchalen Geschichte der Germaninnen in der deutschen Sprache ein. Denn es heißt Muttersprache, nicht Vatersprache. Wir reden auch nicht von Gebrüdern, sondern von Geschwistern.

Bei der Muttersprache ist es aber etwas komplexer. Das Wort Mutter stammt aus dem achten Jahrhundert und hieß im Alt- und Mittelhochdeutschen "muoter". Es hat etymologisch viele Verwandte. Ähnlich klingende Worte für die Person, die uns geboren hat, finden wir im Germanischen, Altfriesischen, Altindischen, Indogermanischen und Tocharischen. Die Sprachwissenschaft ist sicher, dass dem Wort "die Lautgebärde ‚ma‘ für Mutterbrust, Mutter" zugrunde liegt, wie das etymologische Wörterbuch Kluge weiß.

Der Zusammenhang mit Sprache kommt von der lateinischen "lingua materna", einem erst im Mittelalter geprägten Begriff, als Latein nur mehr Sprache der Gelehrten war. Hier wurde Latein von einer anderen Sprache beeinflusst und nicht umgekehrt. Im Lateinischen gab es auch den "sermo patrius", die Vatersprache. Die fand nicht ins Deutsche. Wahrscheinlich, weil Kinder öfter von Müttern das Sprechen lernten. Die Sprachwissenschaft ist heute nicht auf Abstammung fokussiert und nennt die erste gelernte Sprache präziser Erstsprache.

SPÖ in der Traditionsfarbe der Arbeiterparteien

ROT: Es ist nur eine Farbe, doch als Wort ist "Rot" immer auch als politischer Begriff interpretierbar. Und zwar international viel mehr als andere Farben, die in verschiedenen Weltregionen verschiedenen Ideologien zugeordnet sein können. Rot aber steht fast überall auf der Welt seit rund 200 Jahren für sozialistische, sozialdemokratische oder kommunistische Parteien oder ganz allgemein für die Arbeiterbewegung. Auch schon in der Französischen Revolution leuchtete Rot von den Jakobinermützen. Jetzt steht es auch als Wort auf einem der vielen in Rot gehaltenen Wahlplakate des SPÖ-Kandidaten Franz Schnabl. "Der rote Hanni" liest man da. Da will jemand Landesmutter werden. Rot stammt als deutsches Wort aus dem achten Jahrhundert und hieß schon im Alt- und Mittelhochdeutschen genau so: "rot". Ob es Liebe oder Blut im solidarischen blutigen Klassenkampf bedeutet? Beides ist möglich. Katholische Kardinäle tragen es auch, obwohl in ihren Reihen angeblich noch seltener Revolutionäre sitzen als in der SPÖ.

"Freiheitlich" und "Festung", zwei Wörter, ein Gegensatz

FESTUNG: Die "Festung Österreich" prangt von FPÖ-Plakaten, auf denen statt des Spitzenkandidaten Udo Landbauer Bundesparteichef Herbert Kickl in die Ferne schaut. Mit der Festung, althochdeutsch "festinunga", haben wir uns bereits in einer Wortkunde am 10. Jänner ausführlich beschäftigt. Dass ausgerechnet die Partei, die sich "freiheitlich" nennt, das Land in ein Gebäude verwandeln will, in dem man Menschen einsperrt, ist bemerkenswert. Auch eine Verwandtschaft mit der Fessel gibt es bei diesem Wort, das ebenfalls schon aus dem achten Jahrhundert stammt. Als "Festung Europa" brachten die rechtsextremen Identitären die Festung wieder ins politische Vokabular. Viel früher aber schon sprach Hitlers Propagandachef Joseph Goebbels von der "Festung Europa" und meinte alle von den Nazis besetzten Teile Europas.

Grün hinter den Ohren und aus dem Französischen

MODERN: Für Etymologinnen und Etymologen ist "modern" ein junges deutsches Wort, quasi noch grün hinter den Ohren. Von Plakaten der grünen Spitzenkandidatin Helga Krismer prangt es in großen Lettern in der Alliteration "Moderne Mobilität für morgen". Moderne Politik will wohl jede Partei anbieten. Keine würde ein "altmodisches" Programm anpreisen. Entlehnt haben sich die Deutschsprechenden das Wort im 18. Jahrhundert vom französischen "moderne", wobei es mit den Lehnwörtern immer so eine Sache ist: Man gibt sie selten zurück. Das französische Wort wiederum kommt vom spätlateinischen "modernus", was "neu" oder "gegenwärtig" heißt und seinerseits vom lateinischen Wort "modo" (nur, eben) und "modus" (Maß, Art und Weise) stammt.

Die Neos und ein Wort mit nüchterner Geschichte

SAUBER: "Wähl saubere Politik", fordert Neos-Spitzenkandidatin Indra Collini auf einem Plakat. Damit baut sie auf das zweitjüngste Wort, das wir in der völlig subjektiven Auswahl dieser Wortkunde behandeln. Es ist seit dem neunten Jahrhundert Teil unseres Wortschatzes, hieß im Althochdeutschen "subar", im Mittelhochdeutschen dann "suber", "suver" und "sufer". Im Altsächsischen wusch man sich "subri", und im Altenglischen hieß "syfre" makellos. Es stammt vom lateinischen Wort "sobrius" ab, das nüchtern bedeutet. Wer würde sich keine makellose Politik wünschen. Wenn die Politikerinnen dabei nüchtern sind, umso besser!
(Colette M. Schmidt, 22.1.2023)