Brasilien kämpft mit der Aufarbeitung der Ereignisse des 8. Jänner.

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Brasília – Nach dem Sturm auf das Regierungsviertel in Brasília hat der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva den Kommandanten des Heeres ausgetauscht. "Heute habe ich gemeinsam mit Verteidigungsminister José Múcio mit General Tomás Miguel Ribeiro Paiva, dem neuen Befehlshaber des Heeres, gesprochen", schrieb Lula auf Twitter am Samstag (Ortszeit) und wünschte dem neuen Kommandanten alles Gute für seine Arbeit.

Ribeiro Paiva, der auf Júlio César de Arruda folgt, war bisher Befehlshaber des Kommando Südost mit Sitz in São Paulo. Er hatte in einem Video diese Woche gesagt, dass die Wahlergebnisse respektiert müssten, um die Demokratie zu garantieren.

Mehr als 4.000 Bolsonaro-Anhänger waren am 8. Jänner in den Nationalkongress, den Amtssitz des Präsidenten sowie in das Oberste Gericht eingedrungen und hatten dort stundenlang schwere Verwüstungen angerichtet. Dabei entlud sich ihr Zorn über den Wahlsieg des Linkspolitikers Lula, der seit dem 1. Jänner neuer Präsident ist. Am Sonntag unternimmt Lula seine erste Auslandsreise im neuen Amt, die traditionell ins Nachbarland Argentinien führt.

464 Bolsonaro-Anhänger enthaftet

Indes hat ein Richter die Freilassung von 464 Menschen angeordnet, die der Beteiligung an der Erstürmung des Parlaments und anderer staatlicher Institutionen vor knapp zwei Wochen verdächtigt werden. In den Fällen von 942 anderen nach den Unruhen festgenommenen Verdächtigen verfügte Richter Alexandre de Moraes vom Obersten Gericht laut einer Mitteilung vom Freitag, dass sie in Haft bleiben müssen.

Nach den Unruhen wurden mehr als 2000 Menschen festgenommen. Mehr als 600 von ihnen wurden jedoch bereits am 10. Jänner wieder auf freien Fuß gesetzt, nach Angaben der Polizei "aus humanitären Gründen". Bei ihnen handelte es sich demnach um ältere oder kranke Menschen oder Mütter mit kleinen Kindern.

Bei den weiteren 464 Festgenommenen, deren Freilassung jetzt angeordnet wurde, gebe es zwar starke Indizien dafür, dass sie Straftaten begangen hätten, darunter den Versuch des Sturzes einer verfassungsmäßigen Regierung, erklärte Richter Moraes. Doch seien in diese Fällen noch nicht alle Beweismaterialien zusammengetragen worden.

Moraes erlaubte die Freilassung dieser Verdächtigen jedoch nur unter Auflagen. So müssen sie etwa elektronische Fußfesseln tragen oder dürfen nicht in den Onlinenetzwerken aktiv sein.

Des "Terrorismus" beschuldigt

Für die übrigen 942 Festgenommenen ordnete der Richter unbefristete Untersuchungshaft an. In ihren Fällen gebe es Beweise, dass sie des "Terrorismus", der Bildung einer kriminellen Vereinigung, des Versuchs der gewaltsamen Abschaffung des Rechtsstaats sowie eines Umsturzversuchs schuldig seien.

Der seit 1. Jänner amtierende Präsident Lula hat die Vermutung geäußert, dass sein Vorgänger Bolsonaro von den Plänen für den Angriff auf die Verfassungsinstitutionen gewusst habe und "damit viel zu tun hatte". Der Ex-Präsident, der sich derzeit in den USA aufhält, habe womöglich gehofft, nach einem Staatsstreich nach Brasilien zurückzukehren, sagte Lula.

Bolsonaro hat über seine Anwälte dementieren lassen, dass er Verbindungen zu den Verantwortlichen für die Erstürmung der staatlichen Institutionen gehabt habe. (APA, red, 21.1.2023)