Plaza nennt sich der Wohlfühltempel des Nahrungsergänzungsmittelherstellers Biogena nahe der Staatsoper in Wien. Eine Million Euro wurde hier investiert. Im Keller gibt es eine Kältesauna, im Obergeschoß werden Blutinfusionen serviert. Albert Schmidbauer will Appetit auf Gesundheit auch mithilfe von Kapseln machen.

STANDARD: Wir sind von Corona und Krisen erschöpft. Sie haben Vitaminpillen und andere Nahrungsergänzung im Angebot. Gibt es für unseren Überdruss ein Wundermittel?

Schmidbauer: Die eine Wunderpille gibt es natürlich nicht. Wir haben 260 Präparate. Aber grundsätzlich zeigt sich schon, dass der Versorgungszustand, was Mikronährstoffe betrifft, verbesserbar ist. Fast ein Drittel der Österreicher und Österreicherinnen fühlt sich nicht gut, hat Stimmungseintrübungen, Existenzängste und Schlafstörungen. Diese Zahl ist nicht sehr schön.

STANDARD: Sie persönlich scheinen voller Tatendrang. Verdanken Sie das auch dem Griff in die Pillendose?

Schmidbauer: Selbstverständlich. Ich gehöre mit Sicherheit zu den besten Kunden, aktuell bin ich bei 35 Kapseln täglich.

STANDARD: Da verspeisen Sie mindestens an die zehn Euro täglich, oder?

Albert Schmidbauer (54) nimmt auch Geld für Start-ups und seine Kunstsammlung in die Hand. Und für Muscle-Cars, sportliche und stark motorisierte US-Schlitten aus den 1960er- und 1970er-Jahren.
Robert Newald

Schmidbauer: Ich hab das nicht ausgerechnet, aber ich bin in der glücklichen Lage, dass ich das ein bisschen vergünstigt bekomme. Ein Heavy User wie ich kann das aber durchaus als Investment in die Gesundheit sehen.

STANDARD: Sie haben Betriebswirtschaft und Jus studiert, waren EDV-Unternehmer und Unternehmensberater, haben schon in der Schule begonnen. Waren Sie dort unterfordert?

Schmidbauer: Mich hat sehr früh interessiert, welche Möglichkeiten man mit der damals neu aufkommenden IT hatte. Ich habe Fakturierungs-, Buchhaltungs- und Lohnverrechnungsprogramme entwickelt, weil es das nicht gegeben hat in dieser Form. Ich war 16 und Autodidakt. Begonnen hat es mit Commodore-Heimcomputern. In den ersten Ferialpraktika ging es sofort darum, dass man damit Verbesserungen für die Betriebe herstellt.

STANDARD: Neben der Schule hatten Sie Zeit für so etwas?

Schmidbauer: Die hab ich mir genommen, indem ich Fehlstundenweltmeister war. Ich habe mir von meinen Eltern die Erlaubnis geholt, mich selbst zu entschuldigen, Nebenfächer wie Religion oder Turnen zu streichen und mit dem Moped zu Firmen zu fahren. Hat irre viel Spaß gemacht, wenn man als ganz junger Mensch etwas bewegen kann. Und es hat wirklich richtig viel Geld gebracht. Ich hab mir auch mein Studium so finanziert. Das klassische Studentenleben mit spät aufstehen und schauen, wo die nächste Party ist, hab ich nicht erlebt.

STANDARD: Wie kommt man auf die Idee, Nahrungsergänzung zur Geschäftsgrundlage zu machen?

Schmidbauer: Ich war in meiner Beratertätigkeit auch bei Ärzten und hab dort die Marke Biogena, die aus einer ärztlichen Interessengemeinschaft existiert hat, gesehen. Ich selbst habe Präparate angewendet, aber auch bei meinem Vater, der beginnende Knieprobleme hatte. Er ist jetzt 83 und geht mit seinem viel jüngeren Kollegen immer noch wandern. Mir war aber auch bewusst, dass Gesundheit und Wohlbefinden Zukunftsthemen sein werden.

STANDARD: Ältere wollen fit bleiben, Jüngere sich optimieren. Wächst die Zielgruppe?

Schmidbauer: Als ich vor 20 Jahren begonnen habe, waren unsere Kunden und Kundinnen 55 plus. Das verschiebt sich. Wir haben immer mehr jüngere Kundinnen und Kunden mit der Idee, dass sie ein gesundes Leben führen, mit Lifestyle, Sport, Yoga, Meditation, aber auch mit nutritiv-medizinischen Maßnahmen und bewusster Ernährung.

Im Biogena-Plaza im ersten Bezirk in Wien wurde lange umgebaut. Hier werden nicht nur Kapseln serviert, sondern auch Infusionen. Im Keller, wo sich der Tresorraum der einst hier ansässigen Bank befand, ist heute eine Kältekammer.
Robert Newald

STANDARD: Kümmert sich nicht der Staat um unsere Gesundheit?

Schmidbauer: Unzureichend. Man sieht ja, wie weit wir gekommen sind mit dem Thema, der Staat kümmert sich um Gesundheit. Zuständig ist der Staat für die Basis. Aber wir haben auch Systeme, wo Menschen, die durchaus zu Selbstschädigern zählen, mit diesem Umlagesystem unendlich finanziert werden. Die Eigenverantwortung diesbezüglich wird wenig gefördert, und wir sind in einer Vollkaskomentalität gelandet. Jeder hat die Idee, dass er die beste medizinische Versorgung auf der ganzen Welt for free bekommt und selbst nichts dazu beitragen muss. Das wird sich nicht ausgehen.

STANDARD: Stichwort Staat. Die Ages, staatliche Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, meint, Vitaminpräparate und Nahrungsergänzungsmittel braucht die gesunde Durchschnittsbevölkerung aus ernährungswissenschaftlicher Sicht nicht.

Schmidbauer: Das ist natürlich grundlegend falsch. Es ist total schick und cool für Ernährungswissenschafter und Organisationen wie die deutsche Gesellschaft für Ernährung zu sagen, wenn man sich gesund ernährt, braucht man keine Food-Supplements. Wir sagen dazu gerne: Bringen Sie uns den einen, der sich immer gesund und abwechslungsreich ernährt.

STANDARD: Der Trend geht in diese Richtung.

Schmidbauer: Kochshows boomen, aber in den Supermärkten steigen jedes Jahr die Laufmeter an Fertiggerichten. Wir sind bereits in der zweiten Generation des Nicht-kochen-Könnens. Da passt irgendetwas nicht zusammen.

STANDARD: Sie sind da mit den staatlichen Behörden offenbar nicht zufrieden. Wie sind Sie es grundsätzlich mit der Leistung der Politik?

Schmidbauer: Wir sind international tätig. Ich habe auch ein Jahr in den USA gelebt. Wir sind nicht so schlecht, wie viele Österreicher glauben. Manche Dinge funktionieren ganz gut. Man kann in Österreich relativ schnell ein Unternehmen gründen, bekommt viel Hilfestellung, auch kostenlose, in der Beratung. Der Staat versucht Innovation zu fördern. Die Sozialpartnerschaft ist viel wert. Aber ich glaube auch, dass man manchmal dem Markt mehr vertrauen soll. Die Covid-Förderungen waren völlig daneben. Jetzt erfordert eine Maßnahme die nächste, weil sie danebengreift. Der Staat muss immer wieder korrigieren und wird nicht fertig.

STANDARD: Gibt es nicht die Vollkaskomentalität auch bei Unternehmen?

Schmidbauer: Natürlich. Die starke Förderungsorientierung und die Idee, dass der Staat dann da ist für einen, sind auch zu kritisieren.

STANDARD: Zurück zu Corona. Wir konnten nicht Urlaub machen, nicht essen gehen, nicht ins Fitnessstudio. Ist der Bedarf an Pillen gewachsen?

Seine Kinder erzieht er so, dass sie "keine Vollkaskomentalität" haben. Schmidbauer will dem Eisenmangel und der Osteoporose zu Leibe rücken und sammelt nicht nur Kunst, sondern malt auch selbst.
Robert Newald

Schmidbauer: Als die Pandemie im März 2021 so richtig zum Tragen gekommen ist, ist das Gleiche wie mit dem WC-Papier passiert. Unsere Stores waren ja die ganze Zeit offen, die Leute haben sie gestürmt. Wir mussten Sicherheitsmitarbeiter vor der Tür postieren. Die Menschen wollten die typischen Immun- und antiviralen Präparate kaufen, Vitamin C, Zink, und wollten das tatsächlich leerräumen. Wir haben das dann in den ersten Tagen limitiert. Aber das war eine Erscheinung von ein paar Wochen, dann hat sich das normalisiert.

STANDARD: Stichwort normal. Hier sieht es aus wie in der Lounge eines schicken Hotels. Leisten können sich diese Art von Wellness und Vorsorge wohl nur die Eliten?

Schmidbauer: Nicht alle sind so Heavy User wie ich, und unsere Kunden investieren in ihre Gesundheit. Für mich ist das kein Elitenthema, sondern eine Bewusstseinsfrage.

STANDARD: Wie weit kann man sich tunen? Zur Unsterblichkeit, zur Leistungssteigerung?

Schmidbauer: Das kann jeder für sich entscheiden. Wir bieten jetzt auch Biohacking-Elemente an und beginnen, Diagnostics zu forcieren. Wenn Sie wollten, könnten Sie nach oben gehen – zu einer Infusion.

STANDARD: Ich gehe nicht auf einen Kaffee, sondern auf eine Infusion, auf dass die ewige Jugend locke?

Schmidbauer: Ja, das ist durchaus in anderen Ländern üblich. Ein günstiger Lebensstil fördert jedenfalls das gesunde Altern. Die Leute wollen heute mit 80 Ski fahren oder Kite surfen. Früher hat man sich, wenn man aus dem Berufsleben getreten ist, auf ein sparsameres Leben eingerichtet und hatte dann auch noch teilweise die Zielsetzung, möglichst viel zu vererben. Heute sagen viele Menschen: Ich genieße den Ruhestand und den Wohlstand, den ich mir erarbeitet habe ...

Während der Schulzeit war Schmidbauer "Fehlstundenweltmeister". Er hatte oft anderes zu tun, wie er sagt.
Foto: Robert Newald

STANDARD: ... und verprassen das Geld, die Kinder sollen selbst schauen?

Schmidbauer: Ja. Was ich auch sehr richtig finde im Übrigen.

STANDARD: Nicht egoistisch? Wir hinterlassen dem Nachwuchs auch eine Menge Probleme.

Schmidbauer: Und dann gibt es noch dazu kein Geld (lacht). Ich finde das richtig.

STANDARD: Was sagen Ihre drei Kinder dazu?

Schmidbauer: Da habe ich sie noch nicht befragt. Meine Zieldimensionen gehen woandershin, nämlich ihnen eine breite, offene und tolerante Einstellung zu vermitteln, sie so aufzuwachsen zu lassen, dass sie bestmöglich auf die Zukunft vorbereitet sind, über die wir wenig wissen, keine Vollkaskomentalität zu haben. Ich glaube, es ist besser für viele junge Menschen, wenn sie nicht überschüttet werden mit einem Riesenerbe.

STANDARD: Dann sind Sie wohl auch nicht gegen eine Erbschaftssteuer?

Schmidbauer: Eine gewisse Form von Erbschaftssteuer bei bestimmten Dimensionen von Vermögen finde ich richtig. Es betrifft einen selbst ja nicht mehr. Wenn ich sterbe, muss ich die Steuer nicht bezahlen. Ich hab mir alles selbst erarbeitet. Aber hätte ich, sagen wir, zehn Millionen Euro bekommen, hätte ich es als legitim empfunden, dafür 20 Prozent Erbschaftssteuer zu bezahlen. Ich hätte ja immerhin noch acht Millionen bekommen – für etwas, wofür ich nichts getan habe. (Regina Bruckner, 23.1.2023)