Der Besuch des schwedischen Verteidigungsministers Pål Jonson in Ankara ist abgesagt: Schwedische Rechtsextremisten und kurdische Aktivisten haben durch ihren Missbrauch demokratischer Demonstrationskultur – eine Koranverbrennung und eine gestellte Erdoğan-Erhängung à la Mussolini – der Türkei einen willkommenen Anlass geliefert, Gespräche auf Ministerebene über Schwedens Nato-Beitritt zu verschieben. Der Erweiterungsprozess ist ein Jahr nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine in der Sackgasse.

Nachdem durch den rechten Politiker Rasmus Paludan vor der türkischen Botschaft in Stockholm ein Koran verbrannt worden ist, gibt es in Istanbul Demonstrationen.
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Der türkische Präsident Tayyip Erdoğan kann damit seinen Spagat zwischen den USA und Russland weiter üben. In Washington erklärt sein Außenminister, dass die Lieferung von F-16-Kampfjets an das Nato-Land Türkei völlig unabhängig davon zu sehen ist, dass Ankara Schwedens Beitritt blockiert. In Moskau trifft sich der türkische Verteidigungsminister mit dem syrischen und sondiert eine türkisch-russisch-syrische Zusammenarbeit auf Kosten der syrischen Kurden, die von den USA gegen den "Islamischen Staat" unterstützt werden.

Vor den Wahlen im Mai wird keine Ratifizierung der Beitritte Schwedens und Finnlands – das für sich keinen Alleingang will – im türkischen Parlament stattfinden. Und nachher wird man sehen. Denn dass eine EU-Regierung der Justiz nicht einfach diktieren kann, wie sie im Falle der Auslieferung von Menschen an die Türkei entscheiden kann – Ankara will 130 "PKK-Terroristen" –, will Erdoğan nicht in den Kopf. (Gudrun Harrer, 22.1.2023)