Am Wochenende protestierten wieder Zehntausende in Tel Aviv.

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Tel Aviv – Am Sonntag beugte sich Israels Premierminister Benjamin Netanjahu dem Druck des Höchstgerichts und feuerte einen seiner wichtigsten Minister: Arje Deri, gerade erst zum Gesundheits- und Innenminister der neuen rechten Koalition ernannt, muss schon wieder gehen. Beim Ministerrat machte Netanjahu bekannt, dass er "schweren Herzens" dem Urteil des Höchstgerichts folgen werden. Dieses hatte am Mittwoch mit großer Mehrheit entschieden, dass die Ernennung Deris "unangemessen" sei.

Denn der Chef der strengreligiösen Schas-Partei ist schon mehrfach verurteilt, zuletzt im Jahr 2021 wegen schwerer Steuerhinterziehung. Wie das Höchstgericht außerdem begründete, hatte Deri nach seiner Verurteilung eigentlich versichert, der Politik den Rücken zu kehren.

Doch die Dinge kamen anders. Dass er überhaupt in eine Regierung eintreten konnte, machte das "Deri-Gesetz" möglich: Eigentlich konnten in Israel Verurteilte bis vor kurzem keine Ministerämter belegen. Doch die neue Koalition kippte diese Regelung für den umstrittenen 63-Jährigen kurzerhand.

Rechte Regierung gegen Justiz

Hinter dem Fall steckt ein Machtkampf zwischen der neuen Regierung und der Justiz. Erst vor wenigen Wochen ist Netanjahu wieder zum Premierminister ernannt worden, mithilfe eines umstrittenen Bündnisses mit rechtsnationalen und ultrareligiösen Parteien – unter anderem der Schas-Partei. Seit Wochen protestieren Zehntausende dagegen. Sie befürchten, dass die demokratischen Institutionen ausgehebelt würden.

Besonders umstritten ist eine angedachte Justizreform: Der neue Justizminister Yariv Levin hat Pläne zur gezielten Schwächung des höchsten Gerichts vorgestellt. Künftig will die Regierung entscheiden, wer Richter werden darf. Außerdem sollen Gesetze und Verwaltungsakte der Kontrolle des Höchstgerichts entzogen werden.

Netanjahu begründete die Schritte damit, dass die Reform die Balance zwischen Exekutive und Justiz wiederherstellen würde. Kritiker sehen genau diese dadurch in Gefahr: Die Unabhängigkeit der Justiz würde untergraben werden.

Mit Spannung wurde also erwartet, wie Netanjahu mit dem Urteil des Obersten Gerichts umgehen werde. Am Wochenende versammelten sich über hunderttausend Menschen auf den Straßen Tel Avivs, um gegen Netanjahu, Deri und die geplante Justizreform zu protestieren.

"Alle legalen Maßnahmen"

Doch Netanjahu werde "alle legalen Maßnahmen" setzen, damit Deri in Zukunft dem Land dienen könne, sagte er bei dessen Entlassung. Auch Justizminister Levin hat mitgeteilt, "alles Notwendige" zu tun, um angebliches Unrecht gegen Deri wiedergutzumachen.

Deri selbst reagierte auf seine Entlassung zweideutig. Es sei für ihn und Netanjahu klar gewesen, dass "wir das Urteil akzeptieren werden. Darüber gab es nie Zweifel." Keine richterliche Entscheidung werde ihn aber davon abhalten, seinen Wählern zu dienen. Als Schas-Chef werde er außerdem weiter an Kabinettmeetings teilnehmen. Laut einem seiner Vertrauten sollen die zwei Ämter nun an andere Mitglieder der Schas-Partei übergeben werden. (saw, 22.1.2023)