Das abgeriegelte Lokal in Monterey Park nahe Los Angeles.

Foto: AP / Jae C. Hong

Torrance – Nach der Bluttat mit elf Toten in einem Tanzlokal im US-Staat Kalifornien ist der mutmaßliche Täter tot. Die Polizei fand den 72-Jährigen Sonntagnachmittag nach stundenlanger Suche leblos in seinem Lieferwagen, wie Sheriff Robert Luna bei einer Pressekonferenz mitteilte. Er habe sich mit einer Waffe das Leben genommen, als eine Sondereinheit der Polizei seinen Wagen umstellte. Weitere Verdächtige gebe es nicht.

VIDEO: Die Polizei hat den mutmaßlichen Täter eines tödlichen Schusswaffenangriffs auf einen Nachtclub bei Los Angeles tot aufgefunden.
DER STANDARD

Die Tat hatte sich am Samstagabend am Rande einer Feier zum chinesischen Neujahrsfest in Monterey Park ereignet, einer östlichen Vorstadt von Los Angeles, wo viele Menschen asiatischer Herkunft leben. Der Täter eröffnete das Feuer auf Feiernde: Mindestens elf Menschen starben. Zehn weitere wurden mit teils schweren Verletzungen ins Krankenhaus gebracht.

Lokal abgeriegelt, Täter auf der Flucht

Nach Polizeiangaben war der Täter gegen 22.22 Uhr in das Lokal eingedrungen und hatte mit einer Waffe um sich geschossen. "Als die Beamten am Tatort eintrafen, sahen sie, wie zahlreiche Personen, Besucher des Lokals, schreiend aus dem Lokal strömten", sagte Andrew Meyer vom Sheriffs-Büro des Los Angeles County. Der Täter flüchtete, die Polizei riegelte die Gegend rund um den Club ab.

Der Besitzer eines Restaurants in der Nähe des Tatorts berichtete der "Los Angeles Times", drei Menschen seien in sein Lokal gerannt und hätten ihn gebeten, die Tür zu verriegeln. Sie sagten demnach, der Schütze trage so viel Munition bei sich, dass er immer wieder nachladen könne. Monterey Park hat etwa 60.000 Einwohner und liegt rund 13 Kilometer von der Innenstadt von Los Angeles entfernt.

Einwohner von Monterey Park legen nahe dem Lokal Blumen nieder.
Foto: AP / Jae C Hong

Täter in zweitem Lokal entwaffnet

Die Polizei bestätigte am Sonntag, dass der Täter etwa 20 Minuten nach der Tat in einem weiteren Lokal in der benachbarten Stadt Alhambra aufgetaucht sei. Zwei Besuchern sei es gelungen, ihm seine Waffe abzunehmen. "Sie haben Leben gerettet. Es hätte noch viel schlimmer kommen können", sagte Sheriff Luna.

Brandon Tsay, der dem Schützen die Waffe entriss, hat der "New York Times" von dem dramatischen Kampf mit dem Angreifer berichtet. Der Angreifer habe demnach die Waffe auf ihn gerichtet, sagte der Held. "Ich wusste, dass ich sterben werde", sagte Tsay. "Seine Körpersprache, sein Gesichtsausdruck, seine Augen – er hat Menschen gesucht."

Der 26-Jährige, dessen Großeltern den Club gegründet hatten, stürzte sich auf den Angreifer und packte die Schusswaffe am Lauf. "In diesem Moment war es ein Urinstinkt", sagte Tsay über den von einer Überwachungskamera aufgezeichneten Kampf. "Etwas ist passiert. Ich weiß nicht, was über mich gekommen ist."

"Er hat mir ins Gesicht und auf den Hinterkopf geschlagen", sagte Tsay im Sender ABC. "Ich habe versucht, meine Ellbogen einzusetzen, um ihn von der Schusswaffe zu trennen." Es gelang ihm schließlich, dem 72-Jährigen die Waffe zu entreißen. Er richtete die Waffe auf den Angreifer und schrie nach eigenen Worte: "Hau verdammt noch mal ab!" "Er stand da und überlegte, ob er kämpfen oder wegrennen soll", sagte Tsay weiter. "Ich dachte wirklich, dass ich ihn erschießen muss." Der Angreifer ergriff aber die Flucht.

Die Suche nach dem Flüchtigen dauerte bis Sonntagnachmittag. Mithilfe gepanzerter Fahrzeuge umstellten Spezialkräfte den Lieferwagen des Mannes auf einem Parkplatz rund 40 Kilometer entfernt vom Tatort, wie auf Luftaufnahmen im US-Fernsehen zu sehen war. Zunächst sei nicht klar gewesen, ob von dem Mann noch eine Gefahr ausgehe, sagte Sheriff Luna.

Viertägige Trauerbeflaggung

In Montery Park hatte am Wochenende anlässlich des chinesischen Neujahrsfests ein großes Festival stattgefunden. Es sollte eigentlich bis zum Sonntag dauern, wurde nach der Gewalttat am Samstag aber abgebrochen. Nur wenige Stunden davor hatten die Menschen auf den Straßen noch friedlich zusammen gefeiert.

"Es bricht mir das Herz, zu hören, dass wir elf Menschenleben verloren haben – kurz nach einer so schönen Veranstaltung, an der viele von uns hier gestern teilgenommen haben", sagte Bezirksleiterin Hilda Solis. Der Tag habe eine wichtige Bedeutung für die Community. US-Präsident Joe Biden ordnete eine viertägige Trauerbeflaggung an.

Bereits 36 Angriffe 2023

Zum Motiv des mutmaßlichen Täters, selbst asiatischer Herkunft, konnten die Ermittler zunächst keine Angaben machen. Der Sender CNN berichtete unter Berufung auf Ermittlerkreise, der 72-Jährige habe möglicherweise versucht, sich kurz vor seinem Suizid in einem Krankenhaus medizinische Hilfe zu holen. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es aber nicht.

Die USA haben seit langem mit einem gigantischen Ausmaß an Waffengewalt zu kämpfen. Tödliche Angriffe dieser Größenordnung gehören in den USA zur traurigen Normalität. Die Nichtregierungsorganisation Gun Violence Archive registrierte allein seit Anfang dieses Jahres 36 Angriffe mit Schusswaffen mit vier oder mehr Opfern. (APA, red, 23.1.2023)