Übungen für den Beckenboden werden häufig Frauen während oder nach der Schwangerschaft empfohlen. Aber auch Männer können und sollten ein Bewusstsein für die innere Mitte bekommen und sie regelmäßig stärken.

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Er ist von außen nicht sichtbar. Deshalb ist der Beckenboden für viele Terra incognita. Erst wenn Probleme auftreten, etwa weil das Sexleben nicht mehr so gut funktioniert, rückt er in den Fokus. Denn ein starker Beckenboden hilft gegen Rückenschmerzen und Inkontinenz – und kann das Liebesleben aufpeppen. Und das nicht nur bei den Frauen. Auch die Männer sollten ihren Beckenboden regelmäßig trainieren. Bei ihnen ist er zwar von Haus aus stärker, aber ist er schlecht trainiert, macht sich das bemerkbar – durch Inkontinenz oder Erektionsstörungen.

Als Erstes gilt es zu wissen, wie die Beckenbodenmuskulatur aufgebaut ist. Sie besteht aus Muskeln, Faszien und Sehnen. Diese sind in drei Schichten aufgebaut, die wie ein Geflecht zwischen den Beckenknochen miteinander verwoben sind und dort eine dicke Muskelplatte bilden. Das hält die Organe an ihrem Platz, sie würden sonst nach unten sinken. Der Beckenboden arbeitet also ständig gegen die Schwerkraft. Und auch bei vielen sportlichen Bewegungsabläufen ist er beteiligt. Eva-Maria Uher, Fachärztin für physikalische Medizin und allgemeine Rehabilitation in Wien, erklärt: "Alle Muskeln im Körper sind miteinander verbunden. Der Beckenboden befindet sich in der Mitte und unterstützt harmonische Bewegungsabläufe. Wenn der Mitte die Kraft fehlt, können diese Bewegungsabläufe gestört sein."

Fitter Beckenboden für mehr Lust

Die Folge sind oft Rückenschmerzen. Oder Blasenschwäche. Das Problem dabei: Der Beckenboden und Inkontinenz sind vor allem in jungen Jahren immer noch ein Tabuthema. Um zu erkennen, ob der eigene Beckenboden Stärkung braucht, gibt es einen schnellen Test: Hüpft man mit voller Blase auf einem Trampolin und verliert dabei ein paar Tröpfchen, dann sollte man aufmerksam werden. Und ist gerade kein Trampolin zur Hand, kann auch Niesen bei voller Blase einen Hinweis geben.

Sogar junge Sportlerinnen sind oft von leichter Inkontinenz betroffen. Uher weiß: "Sehr viele Sportlerinnen haben ein Problem damit, aber es wird eben kaum darüber gesprochen. Wenn sie Tröpfchen verlieren, behelfen sie sich damit, die Blase immer wieder zu entleeren und vor dem Sport wenig bis gar nichts zu trinken." Vor allem Frauen, die High-Impact-Sportarten ausführen, sprich Basketball, Bodenturnen, Tennis oder Volleyball, kennen diese Probleme.

Zum Thema wird die Muskelplatte für viele Frauen erst mit einer Schwangerschaft. Denn während dieser Zeit werden die Muskeln immer weicher, zusätzlich drückt immer mehr Gewicht auf den Beckenboden. "Das hat zum einen mit der Zunahme weiblicher Hormone, wie etwa dem Östrogen, zu tun. Es sorgt dafür, dass Faszien und Muskeln flexibler werden, um bei der Geburt genügend nachgeben zu können. Zugleich nimmt die werdende Mutter an Gewicht zu. Und auch das Baby, die Plazenta und das Fruchtwasser üben einen großen Druck auf die Mitte aus. Ein untrainierter Beckenboden wird weiter geschwächt", weiß die Expertin. Sie empfiehlt, "schon vor der Schwangerschaft ein Bewusstsein für den Beckenboden zu entwickeln. Denn nur wer weiß, wie sich der Beckenboden anfühlt, kann ihn auch bewusst an- und entspannen." Und das ist nicht nur vor und während der Geburt hilfreich, sondern auch danach: Ein gestärkter Beckenboden fördert nämlich das Sexleben nach einer oder mehrerer Geburten, wie eine Studie aus den USA belegt.

Aber auch die Männer sollten aufmerksam sein. Bei ihnen wird der Beckenboden meistens noch später als bei Frauen zum Thema, nämlich nach einer Prostata-Operation, in deren Folge es bei ihnen zu Inkontinenz kommen kann. Da hilft es, wenn sie diese Muskeln bereits in jüngeren Jahren trainiert haben. Damit bekommen sie nicht nur dieses Problem schneller in den Griff. Setzt man den Beckenboden gezielt ein, kann man die sexuelle Erregung besser steuern. Der Grund: Die Potenzmuskulatur, die die Erektion verstärkt, setzt am Beckenboden an. Ist dieser durch regelmäßiges Training gut durchblutet, sorgt das für mehr Standfestigkeit. Auch einen vorzeitigen Samenerguss kann man so verhindern.

Mit Botox gegen Verspannungen

Ein Muskel, der so viel kann, muss auch regelmäßig trainiert werden. Aber anders als Bizeps oder die Bauchmuskeln, die man von außen sehen und fühlen kann und die mit Gewichten gut gestärkt werden können, besteht die erste Herausforderung beim Beckenboden darin, ihn erstmal zu spüren. In weiterer Folge kann man ihn gezielt trainieren. (Übungen siehe unten).

Ein Zuviel an Training gibt es dabei eigentlich nicht, aber er kann sich verspannen. Man spricht dann vom "chronic pelvic pain syndrom". Uher erklärt: "Das kann nach Operationen der Prostata auftreten oder nach Verletzungen des Steißbeins. Es kommt dann quasi zu einer starken Verspannung des Muskels." Der Tonus nimmt zu, das kann zu chronischen Schmerzen, Problemen beim Wasserlassen, Schmerzen bei langem Sitzen oder Schmerzen beim Geschlechtsverkehr führen. Da ist dann ärztliche Hilfe nötig. Elektrotherapien können für Entspannung sorgen oder Botox – das kann nicht nur Stirnfalten entspannen, sondern auch eine Reizblase. (Jasmin Altrock, 24.1.2023)