Katharina Müller und Martin Melzer, beide Rechtsanwälte mit Schwerpunkt Erbrecht und Vermögensweitergabe, schildern im Gastblog, welche Fristen bei einer Erbschaft gelten – und welche Sonderfälle es gibt.

Nach dem Tod eines Elternteils steht den Kindern (neben dem überlebenden Ehegatten oder der überlebenden Ehegattin) ein Pflichtteil aus dem Nachlass zu. Eine wesentliche Voraussetzung für die Geltendmachung des Pflichtteils ist naturgemäß die Kenntnis der biologischen Eltern. Der OGH (2 OB 175/22g) hat nun in einem spannenden Fall entscheiden, welche Auswirkungen es auf die Verjährung von Pflichtteilsansprüchen hat, wenn man erst zu einem späteren Zeitpunkt herausfindet, wer seine biologischen Eltern sind.

Was ist passiert? Per Zufall findet eine Frau im Jahr 2019 heraus, dass ihr biologischer Vater ein ehemaliger österreichischer Politiker war, der 2005 gestorben ist. Zuvor hatte sie immer geglaubt, dass der Ehemann ihrer Mutter ihr biologischer Vater sei. Auch nach der gesetzlichen Bestimmung des § 144 Abs 1 ABGB ist jener Mann als Vater des Kindes anzusehen, der mit der Mutter im Zeitpunkt der Geburt des Kindes verheiratet ist.

Was passiert mit dem Erbe, wenn der unbekannte Vater verstirbt? In diesem Fall wird mit der Verjährung anders umgegangen.
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Um ihren Pflichtteilsanspruch geltend zu machen, musste die Tochter zuerst die Vaterschaft des Verstorbenen feststellen lassen. Dies geschah im Rahmen eines DNA-Abgleichs mit einem ehelichen Kind des verstorbenen Politikers. Dieser ergab zweifelsfrei, dass der Verstorbene der biologische Vater war.

Die Tochter klagte daraufhin im Jahr 2021 ihren gesetzlichen Pflichtteilsanspruch ein. Der Verstorbene hinterließ fünf eheliche Kinder und eine Witwe. Sein Vermögen, bestehend unter anderem aus einem Schloss und Ländereien, hat der Verstorbene schon zu Lebzeiten an seine ehelichen Kinder verschenkt. Die ehelichen Kinder brachten gegen die Klage vor, dass diese schon verjährt sei. Der OGH musste nun entscheiden, ab wann die Verjährungsfrist für die Geltendmachung des Pflichtteiles zu laufen beginnt, wenn die Abstammung noch nicht bekannt ist.

OGH: Anspruch noch nicht verjährt

Auf den vorliegenden Fall musste die alte Rechtslage angewendet werden, da der biologische Vater vor Inkrafttreten der Erbrechtsnovelle im Jahr 2017 starb. Eine frühere Entscheidung bejahte hierzu die Verjährung der Pflichtteilsansprüche innerhalb von drei Jahren, auch wenn das Kind nichts vom Vater wusste. Die Klägerin beauftragte im aktuellen Fall ein Privatgutachten bei einem Universitätsprofessor. Dieser vertrat die Meinung, dass die Verjährung eines Pflichtteilanspruches erst mit der rechtskräftigen Feststellung der Abstammung zu laufen beginne. Als Argument gab er dazu an, dass mangels Verwandtschaft kein Pflichtteilsanspruch bestand. Noch nicht entstandene und ausübbare Rechte können nicht verjähren. Dieser Meinung schloss sich auch der OGH an. Die Pflichtteilsklage der Klägerin war somit nicht verjährt, und sie konnte – spät, aber doch – ihren gesetzlichen Anteil am Vermögen ihres biologischen Vaters fordern.

Neuer Rechtslage mit neuen Fristen

Die Verjährung im Erbrecht wurde durch die Erbrechtsreform 2015 (ErbRÄG 2015) neu und einheitlich im § 1487 a ABGB geregelt. Es sind folgende Rechte betroffen: das Recht, eine Erklärung des letzten Willens umzustoßen, den Geldpflichtteil zu fordern, letztwillige Bedingungen oder Belastungen von Zuwendungen anzufechten, nach erfolgter Einantwortung ein besseres oder gleiches Recht geltend zu machen, Geschenknehmende wegen Verkürzung des Pflichtteils in Anspruch zu nehmen oder sonstige Rechte aus einem Geschäft von Todes wegen zu fordern. Für die Verjährung gilt eine kenntnisabhängige kurze und eine kenntnisunabhängige lange Frist. Die kenntnisabhängige kurze Frist beträgt drei Jahre ab Kenntnis der für das Bestehen des Anspruchs maßgebenden Tatsachen. Unabhängig von der Kenntnis verjähren erbrechtliche Ansprüche dreißig Jahre nach dem Tod des Verstorbenen.

Daraus folgt: Der Erbe oder die Erbin kann bis zu dreißig Jahre ab Todesfall noch mit Ansprüchen Dritter hinsichtlich des Erbes konfrontiert werden. Die daraus resultierende Rechtsunsicherheit muss wohl oder übel in Kauf genommen werden. (Katharina Müller, Martin Melzer, 27.1.2023)