Sieht sich von "Salome" herausgefordert: Dirigent Philippe Jordan.

Foto: Johannes Ifkovits

Wien – Nach einem halben Jahrhundert wird Richard Strauss’ Salome an der Staatsoper von Cyril Teste neu inszeniert, am 2. Februar findet die Premiere unter der Leitung von Philippe Jordan statt. Testes erste Operninszenierung (von Ambroise Thomas’ Hamlet an der Pariser Opéra Comique 2018) wurde von Staatsoper-Chefdramaturg Sergio Morabito als "Wunder" empfunden. Der 47-jährige Regisseur arbeitet in Wien mit Livekameras und filmischen Rückblenden, die die Vorgeschichte der Verletzungen Salomes – hier Stieftochter eines Nahost-Potentaten – vermitteln.

Als "wunderschön, aber auch sehr jung" beschreibt Teste auf Anfrage die Titelfigur: "Der Blick des Herodes auf Salome verletzt durch sein Verlangen ihre Intimität. Der blanke Hass, mit dem Salome auf die Zurückweisung Jochanaans reagiert, ist vielleicht die Folge ihrer Prägung", so der Franzose. Salomes Wut sei ein Ausdruck von einer Liebe, die sie selbst nur in der pervertierten Form von Gewalt erfahren habe. "Deswegen verteidige ich Salome: Sie ist nicht verrückt, sie ist seelisch verletzt. Und sie enthüllt an diesem Tag das wahre Gesicht der barbarischen Gesellschaft, in der sie aufgewachsen ist", sagt der Regisseur.

Komplexes Werk

So komplex wie das Innenleben Salomes ist auch die Partitur des Werks. Richard Strauss hat Salome für 105 Orchestermusiker geschrieben, die Oper soll aber mit leichter Hand als "Elfenmusik" dirigiert werden. Für Philippe Jordan liegen die Herausforderungen der Komposition in ihrer "komplexen, dichten Instrumentation". Für Strauss selbst seien die Proben zur Uraufführung im Dezember 1905 in Dresden "ein entscheidender Lernprozess" gewesen, so der Musikdirektor zum STANDARD.

Hätte der Komponist davor eine "Isolden-Stimme" für die Titelpartie gefordert, stellte später ein leichterer, mädchenhafterer Sopran sein Ideal für die Salome dar. "Diesen Spagat zwischen dieser Leichtigkeit und gleichzeitig der nötigen Unerbittlichkeit, Radikalität und Grausamkeit in der Partitur herzustellen ist und bleibt die große Herausforderung für jeden Dirigenten", resümiert Jordan. Ob das Produktionsteam die Herausforderung Salome meistert, wird sich nächste Woche zeigen. (sten, 23.1.2023)