Im Schwurgerichtssaal in Salzburg stand bereits die große weiße Leinwand bereit, um das Video des Angeklagten, das ihm nun zur Last gelegt wird, abzuspielen.

Foto: Stefanie Ruep

Einen Aufnäher in Form eines gelben Judensterns mit der Aufschrift "ungeimpft" hält der Angeklagte auf dem Video, das am Dienstagvormittag im Schwurgerichtsaal am Salzburger Landesgericht gezeigt wird, in die Kamera. Er stellt eine rhetorische Frage an den damaligen Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne): "Rudi, schon mal gesehen?"

"Es wird der Vergleich hergestellt: Die Ungeimpften von heute werden mit den Juden in der NS-Zeit gleichgesetzt", sagt Staatsanwalt Marcus Neher in seinem Eingangsplädoyer. Er wirft dem 40-jährigen Salzburger das Verbrechen nach Paragraf 3h Verbotsgesetz vor. Der selbstständige Ergotherapeut soll den Holocaust und die NS-Verbrechen gegen die Menschlichkeit geleugnet oder gröblich verharmlost haben.

Angeklagter bekannte sich nicht schuldig

Das Video war für 15.600 Abonnenten auf seinem Telegram-Kanal abrufbar. "Der Angeklagte machte sich in der Pandemie einen Namen als Redner bei Demos und Maßnahmengegner", sagte Staatsanwalt Marcus Neher. Der Mann engagierte sich auch für die impfkritische Partei MFG. Im Zuge einer Demo in Wien vor dem Gesundheitsministerium sammelte er mehrere Briefe, Zeichnungen und Plakate von Teilnehmern ein, inklusive des gebastelten Judensterns. Er habe ein paar Highlights zusammengestellt, sagt er selbst in dem Video.

Der Angeklagte bekannte sich nicht schuldig und bestreitet die Vorwürfe. Der Stern sei nur einer von vielen "Briefen an Rudi" gewesen, die er bei der Demo eingesammelt und dem Gesundheitsminister mit Geschenkpapier verpackt nach Wien geschickt habe, erläuterte er in der Befragung.

"Blasphemie an der Schwurbler-Welt"

Neben dem inkriminierten Video wird dem 40-Jährigen auch vorgeworfen, in einer Diskussion auf seinem Telegram-Account Holocaust-Verharmlosungen geduldet zu haben. Der Selbstständige eröffnete den Diskurs mit dem Hochladen eines Porträts von Adolf Hitler und der Aufschrift "Hitler hat nie selbst jemanden getötet. Das waren alles nur Leute, die ihren Job gemacht haben". Daraufhin hat sich eine rege Debatte entwickelt. Ein Nutzer verbreitete darunter etwa: "Leuchters Report lesen: Hitler und die Nationalsozialisten besaßen keine Gaskammern. Zyklon B wurde zur Desinfektion genutzt."

Zwei andere Nutzer haben bei diesem Diskussionsstrang sogar darauf hingewiesen, dass hier eine Grenze überschritten werde und dies gegen das Verbotsgesetz verstoße, und haben die Holocaust-Leugnung sogar dezidiert angesprochen. "Der Angeklagte konnte Wortmeldungen entfernen, was er bei anderen auch tat, diese aber nicht", betont Neher. Der Angeklagte löschte hingegen offensichtlich Nachrichten von Kritikern und legte ihnen nahe, den Kanal zu verlassen, wie ihm auch Richter Philipp Grosser vorhielt. Im Diskussionsverlauf postete er noch: "Man darf den Mainstream nicht in Frage stellen? Das ist Blasphemie an der Schwurbler-Welt", und fügte noch ein Einhorn-Emoticon hinzu. "Wie anders kann man das verstehen als als eine Zustimmung?", fragte der Staatsanwalt die Geschworenen.

Gas als "Running Gag"

Der Angeklagte hingegen behauptete, die Nachrichten nicht alle gelesen zu haben. "Das Bild war sicher unpassend gewählt. Das würde ich nicht mehr so machen", betonte der 40-Jährige. "Ich wollte nur anregen, wie wir uns als Gesellschaft derzeit verhalten."

"Es fällt mir schwer zu glauben, dass Sie das nicht mitbekommen, wenn Sie kurz danach etwas antworten", betonte Richter Grosser und hielt dem Angeklagten auch noch Whatsapp-Nachrichten vor, in denen etwa zu lesen war: "Elfie ins Gas" – ein "Running Gag", der gleichbedeutend sei mit "Gehts alle scheißen", wie der Angeklagte ausführte. Ein weiterer Judenvergleich mit den Maßnahmengegnern bezeichnete er als "unpassenden Vergleich" aber "keine Verharmlosung", es gehe um Ausgrenzung.

Sein Verteidiger betonte in seinem Plädoyer noch: "So ein Mensch ist er nicht." Das Video sollte keinesfalls eine Leugnung des Holocaust sein. "Heute würde er ein anderes Bild nehmen, um auf seine Sache aufmerksam zu machen", sagt der Verteidiger. Er habe auch versucht, in die Diskussion einzugreifen, aber nicht alles gesehen. "Ihn dafür schuldig zu sprechen wäre ein Fehler."

Am Dienstagnachmittag wurde der Angeklagte von den Geschworenen freigesprochen. Das Urteil ist rechtskräftig. (Stefanie Ruep, 24.1.2023)