Im Vorarlberger Landtag sollte die Wirtschaftsbund-Causa untersucht werden – die dafür von der Opposition gewünschten neuen Spielregeln konnten nach monatelangen Verhandlungen nicht auf den Weg gebracht werden. Für Politikwissenschaftler Peter Filzmaier ein "Scheitern für alle Parteien":

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So mancher hat den U-Ausschuss im Ländle bereits zu Grabe getragen. Der Chefredakteur der Vorarlberger Nachrichten, Gerold Riedmann, schrieb etwa am Wochenende von einer Todesanzeige. Der Grund: Die Verhandlungen über ein schärferes U-Ausschuss-Recht waren gescheitert. In zwölf Punkten kam die ÖVP den Forderungen der Opposition entgegen, bei der Frage, wer bei Auseinandersetzungen schlichten soll, war Schluss. Dass die Wirtschaftsbundaffäre parlamentarisch untersucht wird, scheint aus derzeitiger Sicht somit unwahrscheinlich.

Warum eine Reform gefordert wurde

Diese Causa war es nämlich, die eine Ausschussreform erst auf den Tisch brachte. Denn die Opposition war sich einig, dass untersucht werden muss, inwiefern es sich hier um illegale Parteienförderung handelte, wie der Draht zwischen Landesregierung und ÖVP-Teilorganisation genau aussah. Aber das könne nur aufgearbeitet werden, wenn man dem U-Ausschuss Biss verleihe, so Neos, SPÖ und FPÖ im Frühjahr.

Bisher kam es in Vorarlberg nur zu einem U-Ausschuss, und an den denkt kaum jemand mit Vergnügen zurück. 2016 wurden die Offshore-Geschäfte der Hypo untersucht. Beziehungsweise hätten diese untersucht werden sollen. Die Opposition sah das Problem darin, dass ihr in vielen Punkten die Hände gebunden waren. Als "zahnlos" wurde die parlamentarische Untersuchung von vielen beschrieben. Mit der Erinnerung daran war man sich dieses Mal sicher: Einen U-Ausschuss nur um des U-Ausschusses willen brauche es nicht.

Streitschlichtung als Streitfall

Tatsächlich waren die Abgeordneten nun auf dem Weg, sehr fortschrittliche Regeln für künftige Ausschüsse zu formulieren. Die Verhandlungen waren zwar zäh und langwierig, aber die ÖVP war zu Zugeständnissen bereit. Das musste die durch den Skandal gebeutelte Partei in gewisser Weise ja auch: Parteichef und Landeshauptmann Markus Wallner versprach eine Transparenz-Offensive.

Bei der Frage, wer im Streitfall schlichten soll – also etwa wenn Aktenlieferungen ausbleiben –, sehen Neos, SPÖ und FPÖ die Kompetenz beim Landesverwaltungsgericht. Die ÖVP war hingegen dafür, in solchen Fragen den Landesrechnungshof oder den Landesvolksanwalt einzuschalten. Die Grünen könnten mit beiden Lösungen leben.

Laut dem Verfassungs- und Verwaltungsjurist Peter Bußjäger von der Uni Innsbruck wären beide Lösungen nicht nur gangbar, sondern auch gut. Allerdings: Ganz klar verfassungskonform wäre die Lösung mit dem Landesrechnungshof. Allerdings könne dieser nur Empfehlungen abgeben. Ob der Landesverwaltungsgerichtshof die notwendige Kompetenz habe, sei nicht ganz klar, meint Bußjäger. Er halte es auch deswegen für eine "interessante Lösung". Und im Burgenland sei dieser Weg bereits beschritten worden.

Vergessene Landtage

Dass in dieser Frage überhaupt Unklarheit herrscht, liegt daran, dass die Landtage bei der letzten großen U-Ausschuss-Reform im Bund vergessen wurden. Denn die Schlichtungsstelle ist ganz allgemein eine neuere Einrichtung. Bis 2015 gab es auch auf Bundesebene keine Zuständigkeit in Streitfragen, nun kann der Verfassungsgerichtshof eingeschaltet werden. Beim nun zu Ende gehenden ÖVP-U-Ausschuss im Bund war das mehrmals der Fall.

Bußjäger sieht es als "Fehler", dass hier nicht an die Landtage gedacht wurde. Denn nun müsse man sich hier an eine ominöse Passage über "sonstige Angelegenheiten" halten, die den Landesverwaltungsgerichten übertragen werden können.

Dass eine Reform im Ländle nun scheitert, weil man sich in der Frage nicht einigen kann, hält der Jurist für schade. Auch weil die Causa Wirtschaftsbund "natürlich untersuchenswert wäre", sagt er. "Weder die eine noch die andere Lösung ist ein Blödsinn." Denn selbst wenn der Landesrechnungshof nur Empfehlungen abgeben könne, der politische Druck sei dann ohnehin da, meint Bußjäger.

Unausgesprochene Gründe

Das dürften freilich auch die Abgeordneten wissen. Demnach ist der Streit über die Schlichtungsstelle zwar das, was die Verhandlungen platzen ließ. Hinter den Kulissen dürfte daher auch eine Rolle spielen, dass ÖVP-Vertretern der Kragen geplatzt ist. Salopp gesagt: Wenn man schon in zwölf Punkten Zugeständnisse macht und dann nochmals nachgeben soll, obwohl die eigene Lösung auch eine gangbare wäre, ist Schluss.

Eine zweite unausgesprochene Begründung ist aber auch, dass den Oppositionsparteien ohne den Wirtschaftsbund-Ausschuss einiges an Arbeit erspart bleibt. Arbeit, die am Ende vielleicht gar nicht mit erhofften Ergebnissen belohnt wird, siehe Hypo. Mit den gescheiterten Verhandlungen kann man die ÖVP immerhin als Bremse schimpfen.

Warum U-Ausschüsse wichtig sind

Apropos schimpfen: Nicht nur Bußjäger, auch Politikwissenschafter Peter Filzmaier hält das Scheitern der Reform für kontraproduktiv. Was hängenbleibe, sei nämlich, dass nichts weitergehe. Der Experte sieht ein "Scheitern aller Parteien". Verlierer sei die Politik bzw. die Demokratie insgesamt. Für Filzmaier das "Allerschlimmste", wie er dem ORF Vorarlberg sagte. Politik ohne Kontrolle sei bei einer Branche, die ohnehin schon ein Negativimage habe, außerdem "sehr problematisch".

Bußjäger betont zudem, wieso es wichtig wäre, sich doch noch zu einigen: "U-Ausschüsse sind die schärfste Waffe der Parlamente. Wie kein anderes Instrument können sie Transparenz schaffen." Diese Transparenz sei wiederum wichtig für die politische Kultur.

Grüne wollen weiterverhandeln

Auch für die Grünen steht imagetechnisch viel auf dem Spiel: Als Steigbügelhalter der ÖVP gegen mehr Transparenz möchte man nicht gesehen werden. Den Koalitionspartner vor den Kopf stoßen aber auch nicht. Eine Todesanzeige will man hier noch nicht verfasst wissen, sondern zurück an den Verhandlungstisch. Vielleicht heißt es am Ende dann doch noch: Totgesagte leben länger. (Lara Hagen, 24.1.2023)