Mit den Turbulenzen rund um seine Übernahme und Führung von Twitter hat Musk eher nicht positiv zur Kursentwicklung von Tesla beigetragen.

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Es ist ein Weltrekord, aber wohl nicht ein Weltrekord, wie er ihn sich gewünscht hätte. Statt mit der Kolonisierung des Mars, einem Hyperloop-Geschwindigkeitsrekord oder dem tatsächlich ersten komplett eigenständig und sicher fahrenden Auto in die Geschichtsbücher einzugehen, hält Elon Musk nun den Titel für den größten Verlust an persönlichem Vermögen in nur einem Jahr.

Und 2022 verlief turbulent. Monatelang stritt Musk mit Twitter um eine – nach Widerstreben – letztlich doch durchgeführte Übernahme. Aber auch seitdem kommt das Social Network nicht zur Ruhe. Massenentlassungen, Dokumentenleaks, willkürliche Regeländerungen und allgemein ein erratischer Führungsstil verprellten nicht nur einige Nutzer in Richtung von Konkurrenten wie Mastodon, sondern auch Werbekunden.

Twitter-Turbulenzen zogen Tesla mit

Der Absturz von Musks geschätztem "Marktwert" hat aber wenig mit dem Wert von Twitter zu tun, sondern mit jenem des ebenfalls von ihm geführten E-Auto-Herstellers Tesla, in dem der größte Teil seines Vermögens steckt. Rund 23 Milliarden des 44 Milliarden schweren Twitter-Deals finanzierte er durch den Verkauf von Tesla-Aktien.

Das Twitter-Drama dürfte sich auch negativ auf den Kurs der Firma ausgewirkt haben. Denn Anleger sorgen sich einerseits, dass Musk – der eigentlich schon länger angekündigt hatte, Twitter nur interimsmäßig führen zu wollen – Tesla zu wenig Aufmerksamkeit widmet. Andererseits lösten die von ihm ausgelösten Turbulenzen allgemein Zweifel an seiner Eignung als CEO aus.

Fehlkalkulation

Es wäre aber zu einfach, das Schwächeln von Tesla ausschließlich auf Musk zu schieben, analysiert man bei "Wired". Der Kurs des Konzerns war bereits vor Beginn der Causa Twitter auf Talfahrt und ist mittlerweile um über 70 Prozent gesunken. Anleger fürchten rezessionsbedingt sinkende Nachfrage, Arbeitskräftemangel in Europa und Herstellungsprobleme.

Womöglich hat sich Tesla strategisch verkalkuliert, als man in den letzten Jahren die Preise immer weiter anzog und das Modellangebot klein hielt, während immer mehr der "alteingesessenen" Autokonzerne zunehmend konkurrenzfähige Fahrzeuge in verschiedenen Marktsegmenten an den Start bringen. "Bis 2020 spielte Tesla gegen eine B-Mannschaft", findet der Berliner Analyst Matthias Schmidt einen Fußballvergleich zur Situation. "Nun bringt die Konkurrenz ihre Spieler aus dem A-Kader." Eine Situation, für die der Konzern nicht ganz vorbereitet zu sein scheint.

Supercharger-Vorsprung droht zu erodieren

So sehen das auch verschiedene andere Analysten. Tesla hält an den Designs seiner Autos fest, die anderen Hersteller überarbeiten sie alle drei bis fünf Jahre. Und infolge der gestiegenen Preise muss sich Tesla hier immer öfter mit Luxusmarken messen. Gleichzeitig ist der vor vier Jahren angekündigte Cybertruck, der nun erscheinen soll, das erste neue Privatauto seit 2020. Ein geplantes zweisitziges Sportauto dürfte erst in mehreren Jahren erscheinen. Alleine in den USA scharrt die Konkurrenz mit Produktionssteigerungen und verschiedenen Modellen für diverse Preisklassen mit den Hufen.

Im Bereich Software und Performance hat Musks Unternehmen noch einen Vorsprung zur Konkurrenz. Gerade in den USA dürfte Teslas wichtigster Vorteil aber sein Supercharger-Netzwerk sein. Rund 40.000 Ladesäulen, von denen viele dem Auto binnen 15 Minuten wieder hunderte Kilometer Reichweite spendieren können, sind entlang vor allem größerer Verkehrsrouten aufgestellt.

Für viele Menschen, die über den Umstieg von einem Verbrenner auf Elektrik nachdenken, wiegt die Frage, wo sie auftanken können, schwer bei ihrer Kaufentscheidung. Die Biden Regierung investiert allerdings 7,5 Milliarden Dollar in den Bau von bis zu 500.000 Ladestationen im Land. Wer an diesem Kuchen mitschneiden will, muss allerdings offen für mehrere Ladestandards sein.

Für Tesla sind das schlechte Aussichten, denn entweder muss das Unternehmen verzichten, oder es muss ermöglichen, dass auch Autos anderer Marken an den eigenen Säulen geladen werden können. Damit würde praktisch eine "Europäisierung" eintreten, denn am anderen Ende des großen Teiches ist dies bereits in vielen Ländern Realität.

Europa als Vorbote

In Europa zeigt sich auch bereits ein Abstieg Teslas am Markt, zeigt ein Bericht von Plante Moran. Von Jänner bis November 2022 konnte etwa Volkswagen um 20 Prozent mehr Stückzahlen verkaufen als Tesla mit dem Model 3 und Y. Wenn die finalen Zahlen für das vergangene Jahr vorliegen, dürfte Tesla mit einem Marktanteil von 15 Prozent aussteigen. 2019 stammte noch jedes dritte in Europa verkaufte Elektroauto aus der Produktion von Musks Firma. Mit weiterer Konkurrenz, auch angetrieben von EU-Initiativen zur Verkehrswende und Senkung der Emissionen, ist zu rechnen.

In den USA dominiert Tesla das Feld derzeit noch mit üppigen 70 Prozent Marktanteil. Aber auch hier ist die Prognose nicht rosig. Während der Markt in Sachen Verkäufe wohl auf etwa 2,87 Millionen Fahrzeuge vervierfachen wird, sagt man Tesla bis 2025 einen auf 31 Prozent geschrumpften Anteil voraus.

Die Beratungsfirma Interbrand sieht derweil nachlassende Entwicklung des Wertes der Marke Tesla. Diese sei zwar 2022 um 32 Prozent wertvoller geworden, das kometenhafte Wachstum der Vorjahre setzt sich aber nicht fort. Ein Report, basierend auf qualitativen Daten von 1.000 Beratern aus der Branche, und eine Analyse von Veröffentlichungen über das Unternehmen zeigt nachlassendes Vertrauen.

Tesla wird zunehmend weniger zugetraut, aus der Masse herauszustechen und die Bedürfnisse seiner Kunden zu bedienen. Seiner Einschätzung nach, sagt der Interbrand-Manager Daniel Binns, bewege sich der Kern der Musk-Anhängerschaft mittlerweile "rapide" von diesem weg. (red, 24.1.2023)