"Corsage"-Regisseurin Marie Kreutzer muss sich wegen ihrer Castingentscheidungen verantworten.

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Die Regisseurin Marie Kreutzer ist derzeit nicht nur aufgrund der Oscar-Shortlist-Nominierung ihres Films Corsage im Gespräch, sondern wegen des Strafverfahrens gegen ihren Kaiser-Darsteller Florian Teichtmeister. Hinzu kommen weitere Übergriffsanschuldigungen gegen einen anderen Corsage-Schauspieler.

Egal also, ob es der Film am Dienstag in die Endrunde der Oscar-Nominierungen schafft, eine Frage wird die heimische Kulturbranche noch weiter beschäftigen: Hätte Kreutzer ihren Sisi-Film nach dem Geständnis Teichtmeisters, im Besitz von Kindesmissbrauchsdarstellungen gewesen zu sein, zurückziehen oder bereits 2021 nach Bekanntwerden erster Gerüchte anders handeln sollen?

Feministische Strahlkraft?

Marie Kreutzer verteidigt bislang das internationale Filmprojekt und hebt die "feministische Strahlkraft" von Corsage hervor. Tatsächlich bilden im Werk und im filmpolitischen Schaffen der 1977 in Graz geborenen Tochter der Grünen-Politikerin Ingrid Lechner-Sonnek feministische Anliegen den Grundtenor. Innerhalb der Filmbranche engagierte sie sich für die Frauenquote, auf Social Media äußert sie häufiger frauenpolitisch und kritisierte etwa im Fall Johnny Depp gegen Amber Heard den frauenfeindlichen Umgang mit Heard.

Ihre Filme handeln meist von Fragen der Selbstverwirklichung in bürgerlich-alternativen Milieus, die durch gesellschaftliche Normen verhindert werden – etwa in Was hat uns bloß so ruiniert, in dem Paare mit ihrem zukünftigen Elterndasein ringen. Familien- und Freundschaftsbeziehungen sind bei Kreutzer Einfallstor für brodelnde Konflikte, zum Beispiel in ihrem erfolgreichen Erstling Die Vaterlosen. Gesundheitliche Probleme und Erfolgsdruck werden in Der Boden unter den Füßen oder Gruber geht abgeklopft.

Erster Auftritt: Betroffenheit

Bei ihren ersten öffentlichen Auftritten nach dem Skandal wirkte die Regisseurin am Wochenende vor allem betroffen. Vielleicht weil die Kritik an ihren Besetzungsentscheidungen gegen ihre feministische Haltung gerichtet ist, aufgrund derer erwartet wird, sensibilisiert auf "Gerüchte" zu reagieren. Doch es mag auch daran liegen, dass Kreutzer als öffentlichkeitsscheu gilt.

Am liebsten sei sie zu Hause, sagte die Mutter einer Tochter 2022 dem Magazin Datum und thematisierte auch ihre Angststörung: "Wenn ich mehrheitlich den größten Teil des Tages angstfrei bin, ist es ein guter Tag." Im ORF kam sie am Sonntagabend auch auf eine Drehbuchidee zu sprechen, an der sie seit 2020 arbeitet: Ein Paar, das durch die pädokriminellen Neigungen des Mannes in die Krise gerät. Ob es klug ist, dieses Projekt weiterzuverfolgen, wird sich weisen. (Valerie Dirk, 23.1.2023)