Polizisten sperren einen Tatort in Solna bei Stockholm.

Foto: Christine Olsson / AP

Stockholm – Der schwedische Premierminister Ulf Kristersson fand am Montag klare Worte: Es liege eines der schlimmsten Wochenenden überhaupt hinter dem Land. Die Gewaltwelle, die Schweden in den vergangenen Wochen erfasst – und sich seit dem Vorjahr bereits aufgebaut – hat, erreichte ihren vorläufigen Höhepunkt. In der Hauptstadtregion kam es zu mehreren Schießereien und einer Explosion. Eine Person wurde erschossen. Kristersson sprach im schwedischen Rundfunk von einer "unkontrollierbaren" Lage und nannte die Täter "Inlandsterroristen".

Um die Gewalt einzudämmen, rief die Polizei den Ausnahmezustand aus und beorderte 100 weitere Kräfte in die Hauptstadt. Rund 50 der zusätzlich eingesetzten Beamtinnen und Beamten reisen aus den nördlichsten Regionen Schwedens an. Ermittlungen bei Gewaltverbrechen in diesen Gebieten wurden vorläufig eingestellt: "Wir haben keine Zeit. Die Schießereien in Stockholm sind im Moment das Wichtigste", sagt Micael Säll Lindal, der Polizeichef von Norrland, zum TV-Sender SVT. Bei den entsandten Polizisten handelt es sich vor allem um Ermittlerinnen, Kriminaltechnikerinnen und IT-Experten.

Kampf um Drogenhandel

Bei der jüngsten Gewalteskalation soll es um die Kontrolle des Drogenhandels in Sundvall nördlich von Stockholm gehen. Im Moment bestimmt ein 24-Jähriger mit Verbindungen ins kriminelle Milieu der Hauptstadt über den Suchtgiftverkauf. Das dürfte aber dem "kurdischen Fuchs" nicht schmecken – einem 36-jährigen Bandenboss, der sich selbst in verschlüsselten Chatnachrichten so bezeichnet. Er ist laut Informationen der Polizei türkischer Staatsbürger und befindet sich auch in seinem Heimatland.

Eine Explosion in Uppsala und eine Schießerei im Stockholmer Stadtteil Husby sollen den Angehörigen des "Fuchses" gegolten haben – der wiederum seinen 24-jährigen Widersacher mit Angriffen auf ein Restaurant und auf ein Bürogebäude in Stockholm einschüchtern wollte.

Zusammenhang mit Rapper-Mord

Doch die beiden Drogenclans sind nicht die einzigen Gruppierungen, die an der Gewalt auf den Straßen schuld sind. So gehen die Ermittler davon aus, dass es bei einem Mord am Weihnachtstag und einer Explosion zu den Feiertagen einen Zusammenhang mit dem Tod des bekannten Rappers Einár im Jahr 2021 geben könnte.

Der junge Mann, der mit bürgerlichem Namen Nils Grönberg hieß, wurde laut Polizeibericht aus nur eineinhalb Metern Entfernung regelrecht hingerichtet. Eine Woche nach seinem Tod hätte er gegen ein kriminelles Netzwerk mit dem Namen Vårbynätverket aussagen sollen. Gangmitglieder hatten den erfolgreichen Rapper im Jahr davor im Zuge eines Bandenkriegs entführt.

Bei dem zu Weihnachten Getöteten soll es sich um einen der Verdächtigen im Mordfall Einár gehandelt haben, die Briefbombe war ebenfalls an jemanden adressiert, der im Zusammenhang mit den Ermittlungen stand.

Über die Herkunft des eingesetzten Sprengstoffs in der jüngsten Vergangenheit sprach die Chefin des polizeilichen Bombendienstes, Marie Borgh, mit Dagens Nyheter. Ihr zufolge handelt es sich in den meisten Fällen um selbstgebastelte Sprengladungen, wobei der Sprengstoff entweder auf Baustellen gestohlen oder ins Land geschmuggelt wird. (bbl, 23.1.2023)