Wer zahlt schon gern Steuern? Nicht einmal ein Finanzminister, wie die Briten dieser Tage mit einer Mischung aus Ungläubigkeit, Amüsement und Zorn zur Kenntnis nehmen. Während Millionen von Freiberuflern über ihren zum Monatsende fälligen Steuererklärungen schwitzen, musste Minister Nadhim Zahawi eine Nachzahlung sowie Strafgebühr in Millionenhöhe einräumen. Der konservative Premier Rishi Sunak ordnete am Montag eine Untersuchung an: "Es gibt da Fragen, die beantwortet werden müssen." Die Labour-Opposition verlangt die Entlassung des Steuersünders.

Neben Boris Johnson (links) sorgt auch Finanzminister Nadhim Zahawi beim britischen Premier Rishi Sunak (rechts) für Ärger.
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Für Sunak (42) ist die Sache schon deshalb peinlich, weil sie das Wahlvolk an das Steuergebaren seiner Frau erinnert. Akshata Murty nahm noch zu der Zeit, als ihr Mann bereits Schatzkanzler Ihrer Majestät geworden war, ein Schlupfloch für Steuer-Ausländer (non-doms) in Anspruch, um Zahlungen auf ihr beträchtliches Vermögen zu vermeiden. Gemeinsam verfügte das Paar laut Reichenliste der "Sunday Times" im vergangenen Jahr über ein Vermögen von umgerechnet 830 Millionen Euro.

Spielchen mit Steueroasen

Zu den zahlreichen schwerreichen Menschen in der Regierung zählt auch Zahawi, in Bagdad geborenes Einwandererkind und Mitgründer des überaus erfolgreichen Marktforschers Yougov. Über dessen in Steueroasen wie der britischen Kolonie Gibraltar geparktes Vermögen gab es in den vergangenen Jahren immer wieder Aufregung. Die Nachfragen wurden bohrend, als der 55-Jährige im vergangenen Juli vom damaligen Premier Boris Johnson als Nachfolger des zurückgetretenen Sunak ins Amt des Finanzministers berufen wurde.

Mit seiner Steuer sei alles in Ordnung, ließ der Minister damals seine Anwälte beteuern, die zudem Neugierigen wie Dan Neidle mit Verleumdungsklagen drohten und ihn zur Geheimhaltung der entsprechenden Korrespondenz verdonnern wollten. Da kamen sie bei dem versierten Steueranwalt an den Falschen: Munter veröffentlichte Neidle sämtliche Anwaltsschreiben auf Twitter, bewegte zudem die Anwaltskammer dazu, die Praxis vorgeblich "geheimer" Korrespondenz zu untersagen.

Wie sich jetzt herausstellt, verbrachte Zahawi seine kurze Amtszeit – schon Anfang September musste er das prestigeträchtige Ministerium zugunsten eines minderen Kabinettspostens wieder räumen – unter anderem mit Verhandlungen über seine Steuerschuld mit der Steuerbehörde HMRC, die ihm als Minister unterstellt war. Am Ende stand eine Zahlung, die in übereinstimmenden britischen Medienberichten mit insgesamt fünf Millionen Pfund (5,7 Millionen Euro) beziffert wird.

"Nachlässigkeit ohne Vorsatz"

In seiner Erklärung vom Wochenende beteuerte der Minister – derzeit in Personalunion auch Generalsekretär (Chairman) seiner Partei – gequält, HMRC habe seine Steuervermeidung als "Nachlässigkeit ohne Vorsatz" akzeptiert. Kein Ruhmesblatt, wie Neidle trocken der BBC erläuterte: "Immerhin erhält er kein Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung." Selbst konservative Medien wie "Spectator" machen sich nun über Zahawi lustig und fordern lückenlose Aufklärung.

Die jetzt zur Neige gehende politische Karriere des seit 2010 dem Unterhaus angehörenden Abgeordneten erhielt erst nach Premier Johnsons Amtsantritt im Juli 2019 so recht Aufschwung. Das ist insofern kaum verwunderlich, als für den Lockdown-Partylöwen ethische Fragen und finanzielle Korrektheit traditionell eine, vorsichtig gesagt, untergeordnete Rolle spielen. Nicht zuletzt kamen auch über seine Finanzen über die Jahre immer wieder Verwunderliches und Anrüchiges ans Licht. Im Fall des zweifach geschiedenen Vaters von mindestens sieben Kindern geht es dabei weniger um die Verwaltung von Millionen, vielmehr um mehr oder weniger permanente Geldnöte.

Johnson spekuliert auf Comeback

So war es auch im November 2020, als ein guter alter Bekannter einen Ausweg bot: Der millionenschwere Investmentbanker Richard Sharp machte den damaligen Regierungschef mit einem kanadischen Geschäftsmann namens Sam Blyth bekannt. Dieser zeigte sich bereit, seinem entfernten Verwandten Johnson als Bürge für einen Kredit in Höhe von 800.000 Pfund einzustehen. Entsprechende Recherchen der "Sunday Times" kommentierte ein Sprecher des angeblich auf ein Comeback schielenden Ex-Premiers mit den Worten: "Na und?"

Als Johnson kurz darauf den Kreditanbahner Sharp zum Chairman der öffentlich-rechtlichen BBC machte, verschwiegen die Beteiligten der Öffentlichkeit den Finanzdeal. Ob es möglicherweise doch einen Interessenkonflikt oder wenigstens einen Anschein davon gegeben hat, soll nun ein BBC-Gremium untersuchen. Labour-Generalsekretärin Anneliese Dodds hat zudem den Kommissar für öffentliche Ämtervergabe um Aufklärung gebeten.

Für Sunak ist auch die Personalie Sharp peinlich, war dieser doch jahrelang bei Goldman Sachs sein Vorgesetzter. In London werden nun Wetten darauf abgeschlossen, wie lange Zahawi und Sharp in ihren Ämtern bleiben können. Unumstritten ist nur, dass der Premierminister Schaden nimmt, je länger die Rücktritte auf sich warten lassen – schließlich hat Sunak dem Wahlvolk bei seinem Amtsantritt vor drei Monaten "Integrität, Professionalität und Verantwortlichkeit" gelobt. (Sebastian Borger aus London, 24.1.2023)