Der häufigste Wintervogel in den heimischen Gärten: der Haussperling.

Michael Dvorak

Es ist Österreichs größtes Citizen-Science-Projekt: Bereits zum 14. Mal fand in Österreich die "Stunde der Wintervögel" statt. Heuer waren es nicht weniger als 24.532 menschliche Teilnehmende, die am Zählwochenende vom 6. bis 8. Jänner in österreichischen Gärten nach Vögeln Ausschau hielten und die Zahl der gesichteten Arten übermittelten. Gab es bei den teilnehmenden Menschen einen neuen Rekord, so blieb die Zahl der Vögel unter den Werten der vergangenen Jahre.

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Insgesamt wurden 474.554 Vögel aus dem winterlichen Siedlungsraum Österreichs gemeldet. Zum Vergleich: Im Vorjahr waren es noch 580.885. In 458 Gärten wurde kein einziger Vogel gesichtet, das ist deutlich mehr als 2022. Der Haussperling (umgangssprachlich: Hausspatz) wurde heuer am häufigsten gemeldet und verwies den Vorjahressieger Kohlmeise und den Feldsperling (umgangssprachlich: Feldspatz) auf die Plätze zwei und drei. Seit Anbeginn der winterlichen Zählungen machen sich diese drei Arten das "Siegerstockerl" untereinander aus.

Weniger Vögel pro Garten

Die durchschnittliche Anzahl der Vögel pro Garten lag heuer bei 26 (26,04). Das ist der niedrigste Wert, der jemals erreicht wurde, und lag deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt von 36 Vögeln pro Garten (2012 bis 2022) und nochmals deutlich unter dem Vorjahreswert (31 Vögel pro Garten). Dieser Rückgang war in allen Bundesländern zu beobachten. "Dabei konnten Vogelarten, die auch im Winter stark auf Siedlungen konzentriert sind, wie der Haussperling, die Türkentaube oder auch der Stieglitz, die Vorjahresergebnisse halten", sagt Gábor Wichmann, Geschäftsführer von Birdlife, der veranstaltenden NGO.

BirdLife Österreich

Bei Aaskrähen und Saatkrähen sei eine leichte Zunahme im Vergleich zum Vorjahr bemerkbar, nachdem die Krähen in der Vergangenheit deutlich im winterlichen Bestand abgenommen hatten. Immerhin jeder zehnte Teilnehmende konnte sich über Schwanzmeisen an der Futterstelle freuen, was etwas über dem Vorjahrswert lag. Das Auftreten der Stieglitze im winterlichen Garten blieb hingegen über die Jahre stabil. Die meisten anderen Arten waren weit weniger häufig als im Vorjahr anzutreffen.

Top-drei-Wintervögel im Siedlungsraum

Der Hausspatz war bei der diesjährigen Zählung wie im Vorjahr beinahe in jedem zweiten Garten anzutreffen (45,57 Prozent) und stellte mit 72.015 Individuen die häufigste im winterlichen Siedlungsraum anwesende Vogelart. Bei diesem Siedlungsspezialisten sind die registrierten Rückgänge im Verlauf seit Anbeginn der Wintervogelzählung im Vergleich zu anderen Arten noch moderat, doch ebenfalls feststellbar: Die Schwarmgröße reduzierte sich, und auch ihr durchschnittlicher Winterbestand im Siedlungsraum war über die letzten zehn Jahre tendenziell fallend.

Noch deutlicher ist der langjährige Rückgang bei der zweitplatzierten Kohlmeise: Im Verlauf der Zählreihe ist ein negativer Trend (von minus 0,21 Vögeln pro Jahr) zu bemerken, auch wenn die Ergebnisse Jahr für Jahr stark schwanken. Der drittplatzierte Feldsperling weist über die Datenreihe ähnlich wie der Haussperling einen leicht negativen Trend auf.

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"Die Vögel waren witterungsgünstige Selbstversorger", erklärt Gábor Wichmann: "Sie hielten sich am Zählwochenende eher außerhalb unserer Städte und Dörfer auf. Dafür gibt es einige Erklärungen: Es war ausreichend natürliche Nahrung vorhanden, weil wichtige Nahrungsbäume wie Fichten und Buchen im vergangenen Herbst erneut besonders viele Früchte ausbildeten, die zu Jahresbeginn kaum von Eis oder Schnee bedeckt waren. Aufgrund der Klimaerwärmung häufen sich in den letzten zehn Jahren derartige Mastjahre. Aus unserer inzwischen 14-jährigen Datenreihe lässt sich auslesen, dass ein starker Zusammenhang zwischen Winterhärte und Anzahl der Vögel im Siedlungsraum besteht."

Dazu käme ein geringerer Zuzug von Vögeln aus dem Norden oder Nordosten Europas aufgrund milderer Winter, der zu einem Rückgang unserer Wintervögel im Garten führe. "Auch wetter- sowie nahrungsbedingte Wanderbewegungen der Vögel innerhalb Österreichs und von den Bergen in die Täler beeinflussen die Zahlen der Vögel im Siedlungsraum", sagt Wichmann.

Die nächste Stunde der Wintervögel findet von 5. bis 7. Jänner 2024 statt. (red, tasch, 24.1.2023)