Basra im Freudentaumel nach dem irakischen Sieg beim "Arabischen Golf-Cup". Teheran protestierte gegen den Namen, der Golf sei "persisch". Iraks Premier Sudani sieht's gelassen.

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Vor 20 Jahren um diese Zeit war die südirakische Stadt Basra in Erwartung der US-geführten Militärinvasion, die Anfang April 2003 den Diktator Saddam Hussein in Bagdad stürzen sollte. Vom Glanz des einstigen "Venedig des Ostens", von wo in "Tausendundeiner Nacht" Sindbad der Seefahrer aufbricht, ist nichts geblieben. In den einst mit glasklarem Wasser gefüllten Kanälen fault Unrat, der Shatt al-Arab, über den Saddam 1980 den Krieg mit dem Iran vom Zaun brach, ist zu seicht für die Schifffahrt, das Abfackeln von Gas verpestet die Luft und lässt die Krebsrate steigen.

Aber doch wurde die von Krieg, Klimawandel und Misswirtschaft gezeichnete Stadt, die mit 53 Grad im Vorjahr einen Hitzeweltrekord aufstellte, für kurze Zeit zum Symbol eines neuen irakischen – und arabischen – Nationalstolzes. König Fußball macht es möglich.

Zum ersten Mal seit 1979 war der Irak, konkret Basra, Austragungsort des "Arabischen Golf-Cups", und wie damals gewann das irakische Team, "unsere Löwen", wie sie Premier Mohammed Shia al-Sudani nannte. Das Endspiel am 19. Jänner war überschattet von mindestens einem Toten und dutzenden Verletzten bei einer Massenpanik, die entstand, als Fans, denen gefälschte Tickets verkauft worden waren, das Stadion stürmten. Aber das war nach dem Sieg über den Oman bald vergessen.

Auf Ticket der Iran-Freunde

Nicht so die politischen Implikationen. Sudani ist erst seit Oktober, ein ganzes Jahr nach den Parlamentswahlen, Premier. Entscheidend dafür war die Zustimmung des "Koordinationsrahmens", eines Schiitenblocks, in dem die meisten Kräfte dem Iran nahestehen. Er kam zum Zug, weil der als irakischer Nationalist auftretende Wahlsieger Muqtada al-Sadr die eigenen Regierungsbildungsversuche aufgeben musste und seinen Block auflöste. Insofern dachte man an ein 1:0 für Teheran – und sieht nun überrascht, dass Sudani nicht davor zurückschreckt, die Iraner zu verärgern.

Jeder westliche Journalist, jede Journalistin weiß, dass man die iranische Botschaft am Hals hat, wenn man eine andere Bezeichnung als "Persischer Golf" verwendet. Nun heißt der "Arabische Golf-Cup" schon seit seiner Gründung 1970 so. Aber sowohl Sudani bei der Eröffnung des Turniers als auch Sadr auf Twitter verwendeten explizit den Begriff "Arabischer Golf". Teheran protestierte und bestellte den irakischen Botschafter ein.

Schwierige Beziehungen

Sudani, ein früherer Arbeitsminister und Gouverneur der Grenzprovinz Maysan, reagierte in einem Interview mit der Deutschen Welle – er absolvierte im Jänner einen Berlin-Besuch – gelassen. Sie seien nun einmal Araber. In einem Interview mit dem "Wall Street Journal" betonte er, dass der Irak wieder eine bessere Anbindung an die arabische Welt wünsche.

Dazu muss man wissen, dass die arabischen Golfnachbarn vor der US-Invasion 2003 richtig vorhergesehen hatten, was dann auch wirklich eintrat: dass durch den Sturz Saddam Husseins der iranische Einfluss im Irak und damit in der Region gewaltig ansteigen würde. Die Beziehungen zwischen Bagdad und den arabischen Hauptstädten waren schwierig. Am Golf war Saddam als jener, der 1990 Kuwait überfallen hatte, zwar verhasst, aber auch stets als Bollwerk gegen das politische Schiitentum des Iran angesehen.

Sudani sagte darüber hinaus aber auch noch, dass Bagdad weiter die Anwesenheit von US-Militär im Land benötige, für die Bekämpfung des "Islamischen Staats" im Irak selbst, aber auch als Logistikbasis für die etwa 900 US-Soldaten in Syrien. "Die Elimination des IS wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen", sagte Sudani dem "WSJ". Mit den USA wünsche er sich ähnlich freundliche Beziehungen wie die anderen arabischen Ölproduzenten.

Drei Jahre Soleimani-Tod

Das alles sagte Sudani im gleichen Monat Jänner, an dessen Beginn tausende Iran-freundliche Iraker zum Gedenken an die Tötung des iranischen Al-Quds-Generals Ghassem Soleimani durch die USA aufmarschierten. Er war am 3. Jänner 2020 gemeinsam mit dem irakischen Milizenführer Abu Mahdi al-Mohandes am Flughafen Bagdad durch einen gezielten US-Angriff getötet worden, was Sudani anlässlich des dritten Jahrestags verurteilte. 2020 hatte das irakische Parlament deshalb beschlossen, dass die Regierung die USA hinauswerfen müsse.

Davon ist nun keine Rede. Sudani ist davon überzeugt, gleichzeitig mit Washington und mit Teheran gut Freund sein zu können. Fast zeitgleich empfing er den Chef der iranischen Revolutionsgarden, Esmail Ghaani, und den Nahost/Nordafrika-Koordinator des Weißen Hauses, Brett McGurk, in Bagdad.

Auch der US-Sonderbeauftragte für Energiesicherheit, Amos Hochstein, war bei dem US-irakischen Treffen zugegen – und danach im nordirakischen Erbil beim kurdischen Premier Masrour Barzani. "Al-Monitor" berichtet, dass dabei auch mögliche Lieferungen von kurdischem Gas in die EU ausgelotet wurden, um Europas Gasabhängigkeit von Moskau weiter zu verringern. Der Iran hingegen liefert Russland Drohnen für den Ukraine-Krieg. (Gudrun Harrer, 24.1.2023)