Innenminister Gerhard Karner (links) und Bundeskanzler Karl Nehammer im bulgarischen Sofia. Den Plan für die neue EU-Richtlinie hat Karner schon länger im Gepäck.

Fotio: EPA/Vassil Donev

Wien/Sofia – Um die Zahl von Asylanträgen in Österreich und in der Europäischen Union zu verringern, braucht es laut Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) eine neue EU-Zurückweisungsrichtlinie. Diese solle die Abweisung von Asylsuchenden mit wenig bis keinen Chancen auf Schutz ermöglichen, ohne dass ein Asylverfahren durchgeführt werden müsse, führte am Montag ein Ministersprecher am Rande des Bulgarien-Besuchs von Karner und Kanzler Karl Nehammer aus.

Der Richtlinienvorschlag stammt aus einem Fünfpunkteplan, den Karner bereits im November veröffentlicht hat. In einem Brief hatte er damals auch die EU-Kommission aufgefordert, entsprechend zu handeln.

Keine Verfahren für Inder und Tunesier

Bereits am Sonntag hatte Karner im "ZiB 2"-Interview aus der bulgarischen Hauptstadt Sofia mehrfach einfachere Möglichkeiten gefordert, Flüchtende aus der EU zurückweisen zu können. Konkret, so ein Ministersprecher, gehe es um die Schaffung einer neuen EU-Zurückweisungsrichtlinie für Asylsuchende ohne faktische Chance auf Schutzgewährung – etwa Menschen aus Indien oder Tunesien, wie sie 2022 via Serbien in die EU kamen.

"Für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine gilt die EU-Vertriebenenrichtlinie. Auf deren Grundlage haben die Menschen einen Schutzstatus, ohne dass sie Asyl beantragen müssen. Gegengleich müsste es möglich sein, eine Richtlinie zu schaffen, die Zurückweisungen ohne Asylantragsprüfung ermöglicht", führte der Sprecher im STANDARD-Gespräch aus.

Ausformuliert sei der Vorschlag noch nicht. Doch der Minister werde ihn weiter zur Diskussion stellen, etwa bei einem geplanten Besuch in Schweden, das derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat.

Fachleute sehen Menschenrechtsverstöße

Bei Fachleuten stößt der Plan auf Ablehnung. Lukas Gahleitner-Gertz von der Asylkoordination sieht in dem Plan einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention.

Die Genfer Flüchtlingskonvention lasse derlei nicht zu, sagte wiederum der Verfassungsexperte Bernd-Christian Funk im STANDARD-Gespräch. Rückführungen von Asylantragstellern, ohne ein entsprechendes Verfahren in ihrem Fall durchzuführen, seien nicht möglich.

Auf Grundlage der Grundrechtecharta der Union sei eine Zurückführungsrichtlinie "vielleicht rechtlich möglich, aber praktisch undurchführbar", sagt Funk. Die Frage nämlich, was mit zurückgewiesenen Personen geschehen und wer für ihre Rückkehr sorgen soll, könne – wenn überhaupt – nur im Konsens aller Mitgliedsstaaten geklärt werden. Eine solche Einigkeit ist nicht in Sicht. (Irene Brickner, 24.1.2023)