Auch vor dem Bundeskanzleramt in Berlin forderten am Freitag einige Hundert Menschen die "Befreiung" der Kampfpanzer aus der "Gefangenschaft" von Olaf Scholz.

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Berlin dementierte einen entsprechenden Bericht, doch im Weißen Haus ist man offenkundig verstimmt. Nur mühsam konnte sich John Kirby, der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, bei einer Pressekonferenz ein paar freundliche Worte über Deutschland abringen. "Natürlich sind die sauer", beschreibt eine europäische Expertin die Stimmung ihrer Gesprächspartner in der US-Administration angesichts der deutschen Hängepartie um die Lieferung von Leopard-Kampfpanzern an die Ukraine.

Doch zugleich wächst im Kongress der überparteiliche Druck auf die Biden-Regierung, durch eine – zumindest symbolische – Bereitstellung amerikanischer Abrams-Panzer den Weg für die Leopard 2 freizumachen. "Wir müssen den Knoten durchschlagen", forderte Richard Blumenthal, der demokratische Senator von Connecticut, am Montag in seiner Heimatzeitung "Connecticut Post": "Die Biden-Regierung hat dazu den Schlüssel in der Hand. Wir sollten Abrams liefern, und dann werden die Deutschen auch Leopard-2-Panzer hergeben, um den russischen Angriff zu stoppen."

Besuch in der Ukraine

Zusammen mit seinen Senatorenkollegen Sheldon Whitehouse, der als Demokrat den Bundesstaat Rhode Island vertritt, sowie Trump-Republikaner Lindsey Graham hatte Blumenthal in der vergangenen Woche die Ukraine besucht. Seine Mitreisenden äußern sich ähnlich. "Wir müssen den Deutschen so schnell wie möglich helfen, das Panzerproblem zu lösen", twitterte Whitehouse: "Das entscheidende Wort heißt: dringend." Auch der Republikaner Graham formulierte einen doppelten Appell: "An die Deutschen: Schickt Panzer, weil sie gebraucht werden. An die Biden-Regierung: Schickt amerikanische Panzer, sodass andere eurem Beispiel folgen!"

Bislang lehnt das Pentagon die Lieferung der Abrams-Kampfpanzer an die Ukraine ab, weil diese zu viel Treibstoff benötigen und zu aufwendig zu warten seien. Berlin wiederum will keine Leopard-Panzer bereitstellen, solange die USA nicht mit im Boot sind, auch wenn in Berlin der naheliegende Begriff "Junktim" offiziell dementiert wird.

"Einen einzigen" Panzer liefern

Insofern sind die immer lauteren Forderungen nach einer Lieferung von Abrams-Panzern aus dem Kongress bemerkenswert. In einem Interview des Senders ABC äußerte sich auch Michael McCaul, der neue republikanische Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Repräsentantenhauses, ähnlich. Er empfahl, dass sich die Biden-Regierung bereiterklären solle, "einen einzigen" Abrams-Panzer zu liefern: "Nach dem, was ich höre, wartet Deutschland darauf, dass wir die Führungsrolle übernehmen." Er glaube sogar, dass die bloße Ankündigung reiche, um die deutsche Blockade aufzuheben.

Eine weitere Gruppe von Abgeordneten und Senatoren ist in der vergangenen Woche in Davos persönlich mit dem deutschen Kanzler Olaf Scholz zusammengetroffen und scheint von dem ernsten Disput nicht unbeeindruckt zu sein. Er verstehe, dass das US-Militär den Abrams-Panzer für weniger geeignet als den Leopard halte, sagte der demokratische Senator Chris Coons in einem Interview: "Aber wir müssen weiter im Gleichschritt mit unseren engen Verbündeten vorangehen." Coons, der einen guten persönlichen Draht sowohl zu Scholz wie auch zu Präsident Joe Biden unterhält, betonte: "Wenn es nötig ist, einige Abrams-Panzer zu liefern, um damit den Weg für Leopard-Panzer aus Deutschland, Polen und anderen Verbündeten freizumachen, bin ich dafür."

Ganz ähnlich formulierte das der demokratische Abgeordnete Seth Moulton, der die von Scholz verlangte Rückversicherung durch die USA sogar "ziemlich vernünftig" nannte: "Ich denke, die USA sollten ein paar Panzer liefern, wenn das für Deutschland erforderlich ist. Man nennt das Führung."

Zweifel an Regierungsposition

Einige Beobachter stellen inzwischen auch die Begründung des Pentagons für die Verweigerung des Abrams-Panzer offen infrage. Immerhin hatte die US-Regierung im Dezember 2022 einen Vier-Milliarden-Dollar-Deal über die Lieferung von 116 M1-Abrams-Panzern an Polen abgeschlossen. "Wenn die Abrams-Panzer in Polen funktionieren, warum dann nicht in der Ukraine?", twitterte am Montag Michael McFaul, der ehemalige US-Botschafter der Obama-Regierung in Moskau. "Leopard-Panzer sind besser. Aber es soll keinen militärischen Nutzen geben, sie (die Abrams, Anm.) in der Ukraine einzusetzen? Wirklich?", zweifelte McFaul die offizielle Washingtoner Regierungsposition an. (Karl Doemens aus Washington, 23.1.2023)