Am Vorabend der wichtigen Landtagswahlen in Niederösterreich sagen alle Umfragen starke Verluste für die regierende ÖVP voraus. Unabhängige Beobachter vermissen die Abkehr der Volkspartei von der katastrophalen Erbschaft von Sebastian Kurz. Trotzdem wirkt die konservative Regierungspartei nach außen hin geschlossen. Weder die Landeshauptleute noch wichtige Landespolitiker kritisieren ÖVP-Bundeskanzler Karl Nehammer.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner ist die Zielscheibe organisierter Intrigenwellen.
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Die FPÖ wiederum profitiert von den operettenhaften Versuchen des Kanzlers und seiner Minister, den Rechtspopulisten das Wasser abzugraben. Parteichef Herbert Kickl kann auf den rasanten Aufstieg in allen Umfragen pochen als Beweis, dass bei dem von ihm angestrebten Bau einer "Festung Österreich" die Wähler lieber gleich zum Schmied und nicht zum Schmiedl gehen wollen. Die Freiheitlichen sind seit eh und je Nutznießer des Kurzzeitgedächtnisses der Wähler. Trotz der schnellen Demontage seines Vorgängers an der Parteispitze gab es keinen offenen Streit in dem extrem rechten Lager.

Wer in die Öffentlichkeit tritt, hat keine Nachsicht zu erwarten und keine zu fordern." Dieser Spruch der österreichischen Schriftstellerin Marie Ebner-Eschenbach (1830–1916) gilt auch für Pamela Rendi-Wagner, die erste Frau an der Spitze der SPÖ.

Seit der mit ihrem Namen verbundenen größten Niederlage der SPÖ bei einer Nationalratswahl 2019 (21,2 Prozent) ist sie die Zielscheibe organisierter Intrigenwellen, die 2022 ihren Höhepunkt jeweils nach den gestiegenen Popularitätswerten der Partei erreicht haben. Für die historische Schlappe waren allerdings praktisch alle Parteichefs nach Franz Vranitzky mitverantwortlich gewesen. Während der Amtsperiode Werner Faymanns hatte zum Beispiel die SPÖ von 20 Wahlen 18 verloren.

Chaotische Rücktrittsserie

Die Folgen der chaotischen Rücktrittsserie des letzten SPÖ-Kanzlers, Christian Kern, dürfen auch nicht vergessen werden. Dass Rendi-Wagner mit 75 Prozent der Stimmen beim letzten Parteitag 2021 das niedrigste Votum in der Parteigeschichte erreichte, war laut glaubwürdigen Informationen das Resultat organisierter Streichungen aus dem Burgenland und Niederösterreich.

Im Gegensatz zur Geschlossenheit der ÖVP und FPÖ entpuppt sich die Führungsgruppe der SPÖ öffentlich als eine Schlangengrube. Es vergeht kaum eine Woche ohne Auftritte oder gezielte Aktionen aus dem Burgenland. Es geht nicht um das fehlende Charisma einer weiblichen Quereinsteigerin, sondern um eine von langer Hand vorbereitete Medienoffensive eines machtverliebten, machtversessenen Lokalpolitikers, der sich zum Retter der SPÖ stilisieren möchte. Das überschwängliche Lob des niederösterreichischen SPÖ-Chefs Franz Schnabl für Landeshauptmann Hans Peter Doskozil bei einem gemeinsamen Auftritt der beiden ehemaligen befreundeten Polizisten in Wiener Neustadt sollte laut Schnabl "für Medieninteresse sorgen".

All das schadet vor allem der Glaubwürdigkeit der SPÖ als einer politischen Kraft. Nicht Rendi-Wagners "fehlendes offensives Kommunikationstalent" (Florian Klenk im Falter), sondern die irrlichternde verdeckte Kampagne der Doskozil-Fraktion könnte der österreichischen Sozialdemokratie zum Verhängnis werden. (Paul Lendvai, 24.1.2023)