Die Situation in Deutschland, wo auf bestimmten Autobahnen ein verpflichtendes Tempolimit fehlt, ist in Europa beispiellos. Zu lange schwelenden Sicherheitsbedenken gesellen sich zunehmend Fragen der Nachhaltigkeit. Dass langsamer zu fahren nachhaltiger ist, ist nicht neu. Nun gibt es neue Zahlen dazu, wie stark die Reduktion sein kann.

Ein Tempolimit von 120 Kilometern pro Stunde auf Deutschlands Autobahnen und autobahnähnlichen Straßen bringt einer neuen Studie zufolge mehr CO2-Einsparung als bisher gedacht. Ein solches Tempolimit könne Treibhausgasemissionen in Höhe von 6,7 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente einsparen, teilte das deutsche Umweltbundesamt am Montag mit. Dies widerspricht der Argumentation des deutschen Verkehrsministers Volker Wissing von der FDP, wonach ein Tempolimit kaum Emissionen einsparen würde. Wissing und die FDP lehnen eine solche Begrenzung weiterhin ab.

Bisher war das Umweltbundesamt von einer Einsparung von 2,6 Millionen Tonnen CO2 durch ein Tempolimit ausgegangen. Die neuen Berechnungen basieren der Behörde zufolge auf Floating-Car-Daten für das gesamte Autobahnnetz in Deutschland und einem deutschlandweiten Verkehrsmodell.

Das Auto ist Faszinosum und Kultobjekt. Vor allem das schnelle Autofahren ist emotional aufgeladen und steht zunehmend in der Kritik.
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Veränderte Berechnung

"Die höheren CO2-Einsparungen im Vergleich zu früheren Studien kommen daher, dass der Verbrauch der Fahrzeuge genauer bestimmt wurde und neu auch eine veränderte Routenwahl und Verkehrsnachfrage berücksichtigt wurden", erklärte das Umweltbundesamt. Die Berechnungen schlössen auch die Verlagerungen auf andere Verkehrsträger wie die Bahn mit ein.

Für Österreich relevanter als das diskutierte Autobahnlimit, das jenem hierzulande ähnelt, ist die Möglichkeit eines Tempolimits von 80 Kilometern pro Stunde auf Außerortsstraßen. Hier würde der Studie zufolge das Einsparpotenzial auf acht Millionen Tonnen CO2-Äquivalente erhöhen, rechnet das Umweltbundesamt vor.

Im Fall von Deutschland hätten durch die Kombination beider Tempolimits 2018 die Treibhausgasemissionen der Pkw und Nutzfahrzeuge in Deutschland insgesamt um rund fünf Prozent gesenkt werden können.

Bei einer Umsetzung ab 2024 könnten Tempo 120 auf Bundesautobahnen und Tempo 80 auf Außerortsstraßen laut Umweltbundesamt bis 2030 in Summe rund 47 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente einsparen. Die Einsparungen lösten nicht die Klimaherausforderungen im Verkehr, "aber sie sind eben auch keine Kleinigkeit", betonte Umweltbundesamtspräsident Dirk Messner.

Um die gleiche Minderung wie für das Tempolimit zu erreichen, müssten drei Millionen mehr reine Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen mit der durchschnittlichen Fahrleistung unterwegs sein, erläuterte Messner. Wenn deren Kauf vom Umweltbonus gefördert worden wäre, hätte das mehr als 13 Milliarden Euro Kosten beim Staat verursacht.

Greenpeace hat bereits vor einer möglichen Einführung des deutschen Tempolimits in einer Aktion Verkehrsschilder aufgestellt.
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Klimaschutzziele außer Reichweite

Messner hob hervor, dass die bisher von der deutschen Bundesregierung beschlossenen Maßnahmen nicht ausreichten, um die verbindlichen Jahresziele für den Verkehr nach dem Klimaschutzgesetz einzuhalten. Die jährlichen Zielverfehlungen summieren sich im Verkehr bis 2030 auf 271 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente.

Die Tempolimits "könnten diese Klimaschutzlücke zwischen dem derzeit erwarteten Emissionsverlauf und den verbindlichen Zielen um rund ein Sechstel schließen", argumentierte der Präsident des Umweltbundesamts.

Deutschland hat durch die starke Autoindustrie eine hohe Affinität zum Automobil. In Umfragen hat sich dennoch wiederholt eine Mehrheit der Befragten für ein generelles Tempolimit auf Autobahnen ausgesprochen. In Österreich gibt es derzeit keinen Konsens zu einer möglichen Geschwindigkeitsreduktion. Die Expertin Barbara Laa von der TU Wien hält eine Temporeduktion auf 100 Stundenkilometer auf heimischen Autobahnen für die effektivste Einzelmaßnahme im Verkehr, um den CO2-Ausstoß zu senken. (red, dpa, APA, 24.1.2023)