Beim österreichischen Bundesheer sind weiterhin Personen tätig, die wegen NS-Wiederbetätigung verurteilt wurden – neben Soldaten, die sich nichts zuschulden haben kommen lassen.

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Über das Thema wird im Innenministerium nicht gerne geredet. Aber auf die Frage, wie viele Bedienstete bei der Polizei oder dem Verfassungsschutz im Dienst sind, die wegen NS-Wiederbetätigung verurteilt wurden, gab es eine knappe Antwort: Aktuell ist mindestens ein Polizist im Dienst, der wegen Verstoßes gegen das NS-Verbotsgesetz verurteilt wurde.

Seit 2019 wurden "drei Exekutivbedienstete nach dem Verbotsgesetz verurteilt", zwei verloren daraufhin ihren Job, heißt es dazu aus dem Ministerium. Ein Polizist wurde "zu zehn Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, hier sind das Disziplinarverfahren und der mögliche Amtsverlust noch offen", erklärt ein Sprecher. Bei einer Verurteilung zu über zwölf Monaten erfolgt der Amtsverlust bisher automatisch.

Drei Soldaten verurteilt und weiter beim Heer

Beim Bundesheer sind aktuell mindestens drei Soldaten aktiv, die nach dem Verbotsgesetz verurteilt wurden. "Vom Jahr 2018 bis zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung wurden vier Soldaten wegen Verstoßes gegen das Verbotsgesetz verurteilt, wobei sich drei Soldaten noch im Dienststand befinden", schrieb Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) kurz vor Weihnachten in der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage des Grünen-Abgeordneten David Stögmüller. Verurteilungen vor 2018 werden von der Ministerin nicht erwähnt.

Der Anfrage ging ein Fall eines Unteroffiziers voraus, der im vergangenen Oktober für Schlagzeilen und Entsetzen sorgte. Selbst Bundespräsident Alexander Van der Bellen zeigte sich "schockiert". Der Soldat wurde zwar wegen Wiederbetätigung verurteilt, konnte aber im Heer bleiben. Obwohl er mit einer selbstgeschneiderten SS-Uniform spazieren ging, öffentlich den Hitlergruß zeigte und Knallkörper des Heeres mit nach Hause genommen hat. Der Grund: Von der Disziplinarbehörde des Heeres bekam er nur eine Geldstrafe.

NS-Verbotsgesetz wird erweitert

Zu milde, wie die Regierung befand. Als Reaktion auf den Fall wird das NS-Verbotsgesetz erweitert. Künftig führt jede rechtskräftige Verurteilung nach dem Verbotsgesetz bei Beamtinnen und Beamten automatisch zu einem Amtsverlust. Derzeit wird am Gesetzesupdate gearbeitet. Voraussichtlich soll es im Juni in Kraft treten.

Verteidigungsministerin Tanner kündigte eine Nulltoleranzpolitik an.
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Zusätzlich kündigte Verteidigungsministerin Tanner eine Nulltoleranzpolitik "bei politischem und religiösem Extremismus" an. Per Ministerweisung soll bei Disziplinarverfahren der mögliche Strafrahmen ausgenutzt werden. Kommandanten müssen derartige Verfehlungen nun ausnahmslos entsprechend verfolgen. Tanner setzte ergänzend eine Kommission "zur Bekämpfung staatsfeindlicher Tendenzen" ein. Vorsitzende ist Barbara Glück vom Mauthausen-Memorial, weitere Kommissionsmitglieder sind etwa die ehemalige Direktorin des Jüdischen Museums, Danielle Spera, und der ehemalige Streitkräfte-Kommandant Franz Reißner. Aufgabe der Kommission ist es laut einer Aussendung des Ministeriums, "die Strukturen im Bereich der Bekämpfung von staatsfeindlichen Tendenzen im BMLV zu überprüfen und weiterzuentwickeln". Darunter fällt zum Beispiel die Einrichtung einer eigenen Meldestelle für antisemitische Fälle.

In den vergangenen Jahren haben Offiziere des Bundesheers für Aufsehen gesorgt, da sie öffentlich Verschwörungserzählungen auf Telegram oder auf Corona-Demonstrationen verbreiteten. Mit dabei war Oberst Hermann Mitterer, der ein Buch über den angeblichen "Bevölkerungsaustausch" geschrieben hat – den zentralen Verschwörungsmythos der rechtsextremen Identitären.

Keine Identitären beim Heer erwünscht

Diese Gruppierung will das Bundesheer nicht in seinen Reihen haben. "Die Mitgliedschaft bei der Identitären-Bewegung und eine berufliche Tätigkeit beim Bundesheer, auch zeitlich befristet, sind nicht vereinbar", sagt Sprecher Michael Bauer. Sobald das Bundesheer "Kenntnis davon erlangt, dass ein Berufs-, Zeit- oder Milizsoldat Mitglied der Identitären-Bewegung ist, wird, unter Berücksichtigung der Gesetze, insbesondere des Beamtendienstrechtsgesetzes, das Dienstverhältnis beendet". Diese Person wird laut Bauer auch zu einer weiteren militärischen Tätigkeit, zum Beispiel einer Milizübung, nicht mehr herangezogen.

Der Wehrdienst kann ihnen jedoch nicht verweigert werden. "Da in Österreich die Wehrpflicht besteht, ist die Ableistung der Wehrpflicht verpflichtend", sagt der Bundesheersprecher. Und er betont: Sollte ein Grundwehrdiener Mitglied der Identitären-Bewegung sein, so gebe es "mehrere Maßnahmen, die verhindern, dass Rechtsgüter des Bundesheeres durch diese Person beziehungsweise deren Mitgliedschaft gefährdet werden könnten". Was das genau bedeutet, will Bauer nicht sagen.

Straftaten und Spenden von Terroristen

In der Vergangenheit sorgten Angehörige des Bundesheers, die bei der rechtsextremen Gruppierung mitmischen, für Schlagzeilen. Schließlich wird sie vom Verfassungsschutz, der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), überwacht, da ihre Mitglieder regelmäßig Straftaten begehen, Kontakte zu Propagandisten russischer Propaganda unterhalten und ihr Anführer eine Geldspende von jenem Rechtsterroristen bekam, der 2019 im neuseeländischen Christchurch 51 Menschen ermordete. Auch der Mörder des CDU-Politikers Walter Lübcke spendete den österreichischen Identitären Geld. Zusätzlich mischen die Rechtsextremen bei Demonstrationen federführend mit, bei denen es tätliche Übergriffe auf Journalistinnen gab und Polizisten attackiert wurden. Ein Identitärer, der auch bei der Freiheitlichen Jugend aktiv war, wurde deswegen im vergangenen Jahr verurteilt.

Im Juli 2021 waren bei einer Demonstration der Identitären in Wien zahlreiche militante Rechtsextreme dabei.
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In den Reihen der Polizei finden sich (ehemalige) Unterstützer der Identitären. Im Jahr 2019 wurde bekannt, dass mehrere Polizisten Kontakte zu der Gruppe unterhielten. Konkret haben fünf Personen "im Wirkungsbereich des Bundesministeriums für Inneres" Spenden an die Identitären geleistet. Bei vier sei nachweisbar, dass sie mehrfach Geld überwiesen hätten, hieß es in der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage. Rund 13 Polizisten standen im Verdacht, mit der Gruppierung in Kontakt zu stehen. Wegen Rechtsextremismus oder Neonazi-Umtrieben vom Dienst suspendiert wurde im Innenministerium von 2015 bis 2018 niemand. Ein Disziplinarverfahren endete allerdings mit dem freiwilligen Austritt des betreffenden Beamten.

Zuletzt gab es im Sommer des vergangenen Jahres Aufregung um einen Polizisten, der mit den Identitären auf Facebook befreundet war. Ausgerechnet er war für die Zugangskontrolle bei einem Prozess mitverantwortlich, bei dem sieben Antifaschisten angeklagt wurden, die Identitäre attackiert haben sollen.

Anschlag auf linke Veranstaltung geplant

Der Verfassungsschutz hat die Identitären und ihr Umfeld im Visier. Nicht ohne Grund. Dort ist etwa auch ein Mann zu finden, der einen terroristischen Anschlag geplant haben soll. Konkret wollte er einen Sprengstoffanschlag auf eine "linke Veranstaltung" durchführen – die Tat wurde jedoch von den Sicherheitsbehörden vereitelt, wie im EU-Terrorismusbericht von Europol zu lesen ist.

Der EU-Terrorismusbericht von Europol wurde Mitte Juli 2022 veröffentlicht.
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Das Innenministerium bestätigt STANDARD-Recherchen, dass es sich bei dem Täter um Rudolf P. handelt, der Ende März vergangenen Jahres zu einer unbedingten Haftstrafe von dreieinhalb Jahren (nicht rechtskräftig) in Eisenstadt verurteilt wurde. Die Geschworenen folgten der Anklage, der Mann wurde wegen NS-Wiederbetätigung, Verhetzung und Vergehen gegen das Waffen- und Suchtmittelgesetz schuldig gesprochen. Welche Veranstaltung P. genau im Visier hatte, war jedoch nicht in Erfahrung zu bringen. Sie soll in Wien stattgefunden haben, heißt es aus dem Umfeld des Innenministeriums. Seine Anwältin betonte jedoch, dass er nicht wegen Terrors verurteilt wurde.

Kontakte zu den Identitären

P. bewegte sich seit Jahren im Neonazi-Milieu und unterhielt gute Kontakte zu Aktivisten der Identitären, wie das Recherche-Netzwerk "Österreich Rechtsaußen" dokumentiert hat.

Auch er hat der Gruppe Geld gespendet. Der Verfassungsschutz kam P. auf die Spur, da er Facebook-Seiten der Identitären postete. Bei einer Hausdurchsuchung wurden bei ihm neben Suchtmitteln und NS-Devotionalien auch Waffen, Munition sowie Material für den Bau von Bomben sichergestellt. Darunter drei Kilo Nitrozellulosepulver, 400 mit Schwarzpulver gefüllte Schweizer Kracher und Rohre. Während des Prozesses stellte sich auch heraus, dass P. in Ungarn eine Art Probesprengung durchgeführt hat.

Die Behörden fanden bei der Hausdurchsuchung auch gerahmte Porträtfotos der Rechtsterroristen Franz Fuchs, Beate Zschäpe und Anders Behring Breivik. Fuchs war in den 1990er-Jahren für mehrere Briefbomben und ein Bombenattentat verantwortlich, bei dem vier Roma im burgenländischen Oberwart starben. Zschäpe war Teil des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU), der in Deutschland zwischen 2000 und 2007 neun Migranten und eine Polizistin ermordete. Breivik beging 2011 in Norwegen die Anschläge in Oslo und auf der Insel Utøya, bei denen 77 Menschen ums Leben kamen, davon 69 Teilnehmerinnen und Teilnehmer eines Zeltlagers der Jugendorganisation AUF der sozialdemokratischen "Arbeiderpartiet".

Der Rechtsterrorist Franz Fuchs (Mitte) verschickte in den 1990er-Jahren Briefbomben und ermordete vier Männer.
Foto: Heribert Corn

Handbuch "Nationale Wehrkraft"

Zusätzlich fand sich bei P. auch eine Art Manifest, ein Handbuch "Nationale Wehrkraft". Darin fanden sich nicht nur Anleitungen zum Bau von Bomben, sondern auch, wie man im Handel erhältliches Mineralwasser und Limonaden durch Injektion mit Gift präparieren und die Flaschen dann wieder unbemerkt zum Verkauf platzieren könnte. Nicht nur dieses Handbuch zeigt die Affinität von P. zu Rechtsterror. Nach dem Urteil sind die Identitären auf Distanz zu dem Mann gegangen. (Markus Sulzbacher, 25.1.2023)