100.000 Arbeitsstunden sind in die Restaurierung des alten Trans-Europ-Express-Panoramawagens geflossen, der heute als Luxon für private Zugreisen gemietet werden kann.

Foto: Henk Zwoferink

Die Ausstattung ist exklusiv. Darüber und über die Logistik und die Route müssen sich die maximal 20 Gäste des Privatzugs nicht den Kopf zerbrechen.

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Stufen führen auf das Panoramadeck des Privatzugs.

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Die Lounge im Luxon. Für das Catering sorgt das Münchner Gastro- und Hotellerieunternehmen Geisel Privathotels. Je nachdem, was das Bankkonto hergibt, kann man sich auch von einem Sternekoch bekochen lassen.

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Das Panoramadeck kann auch als Konferenzraum genutzt werden.

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Man stelle sich nur die erstaunten Gesichter vor, wenn – sagen wir – in der S-Bahn-Station Breitensee plötzlich ein wie aus der Zeit gefallener Zug einfahren würde. Eine Elektrolok mit nur einem Wagon hinten dran: einem luxuriösen Salonwagen aus den 1960ern mit verglastem Panoramadach. Es hätte wohl etwas von einem Harry-Potter-Moment. Dazu Chris Lohners Stimme: "Achtung, Bahnsteig eins. Ihr Privatzug nach Rom fährt ab."

Aber ist das überhaupt möglich? Ja, verspricht das deutsche Unternehmen Rail Adventure. Es betreibt den Privatzug Luxon. Das Besondere: Man kann ihn mieten und darin durch die Gegend fahren, um zum Beispiel einen erfolgreichen Jahresabschluss zu zelebrieren. Oder um eine wichtige Konferenz abzuhalten. Oder um den Valentinstag mit einem intimen Candlelight-Dinner zu feiern. Oder einfach nur so, um von einem Ort zum anderen zu fahren. Ob maximal zwanzig Personen an Bord sind oder nur zwei, spielt keine Rolle. Und ob die Fahrt zwei Stunden dauert oder einen ganzen Tag, ist ebenfalls zweitrangig. Der Luxon fährt auf Wunsch, mit wenigen Ausnahmen, jedes Ziel in Europa an, kann quasi jeden Bahnhof auf dem Kontinent ansteuern, auch S-Bahn-Stationen. Der Liberalisierung des europäischen Bahnverkehrs sei’s gedankt.

Komfort für Staatsoberhäupter

Kein Zeitverlust beim Check-in, bei der Sicherheitskontrolle oder während des Boardings, so bewirbt Rail Adventure die Vorteile des Privatzugs. Auch die Anreise und das Umsteigen zu oft außerhalb der Stadt gelegenen Flughäfen entfallen. Und: Man muss sich nicht mit nervenden Mitreisenden auseinandersetzen.

Ein Privileg, das man sonst nur in Privatjets hat. Die sind im Hinblick auf ihre Umweltfreundlichkeit zu Recht übel beleumundet. Auf Schienen kennt man das Prinzip wohl eher von gekrönten Häuptern oder Staatsmännern. Man denkt an die Salonwagen von Queen Victoria aus längst vergangenen Tagen oder an den US-amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt, den deutschen Kanzler Konrad Adenauer oder den jugoslawischen Diktator Josip Broz Tito, die bevorzugt mit der Eisenbahn unterwegs waren. In komfortabel eingerichteten Wagons mit allem Pipapo. Tagsüber konnte man dank vollwertigen Büros seine Geschäfte erledigen, abends standesgemäß dinieren und in einem richtigen Bett schlafen. Bei Roosevelt war außerdem ein Güterwagen für den Transport seiner Limousine mit dabei, liest man.

Exklusive Gastro

Samt und Seide findet man im Luxon nicht, aber ein Hauch von (Eisenbahn-)Nostalgie schwingt schon mit. Denn es handelt sich bei dem Schienenfahrzeug um einen ausrangierten Aussichtswagen von 1962. Er war einst Teil des Trans-Europ-Express (TEE), der auf den Namen Rheingold hörte. Rail Adventure kaufte diesen nahezu schrottreifen Wagon im Jahr 2011 und hat ihn aufwendig restauriert. Dass man sich dabei so viel Zeit ließ, hängt damit zusammen, dass man keinen Zeitdruck hatte. Denn das Brot-und-Butter-Geschäft des Unternehmens sind Test- und Überführungsfahrten mit neuen Zügen.

Da man kein "rollendes Museum" haben wollte, hat man den Wagen komplett entkernt und das Inventar der modernen Zeit entsprechend angepasst. Gespart hat man dabei nicht: Es gibt eine voll ausgestattete Bar, eine Lounge mit 5,5 Meter Länge, ein acht Meter langes Panoramadeck mit Glasdach. Unter der Kuppel wird jeder Sitz quasi zum Fensterplatz. Die Platzverhältnisse sind großzügig, der Zug ist innen 2,4 Meter breit. Je nach Kundenwunsch kann die Einrichtung verändert werden, verspricht man: Liegesessel, Sitzgruppen, Konferenztisch ... alles ist möglich. Fürs (exklusive) Catering sorgt das Münchner Gastro- und Hotellerieunternehmen Geisel Privathotels. Je nachdem, was das Bankkonto hergibt, kann man sich auch von einem Sternekoch bekochen lassen.

Geschmalzener Preis

Ein Schlafabteil sucht man allerdings vergebens. Für eine Übernachtung müsse man einen Zwischenstopp einlegen, den Zug verlassen und in einem Hotel Quartier beziehen, heißt es dazu vonseiten des Unternehmens. Der Zug könne am nächsten Tag aber gleich wieder starten. 200 Kilometer pro Stunde kann die Lok fahren, unerwünschte Zwischenstopps können ausgeschlossen werden. Los geht's sowieso dort, wo der Kunde, die Kundin es wünscht. Die Zielbahnhöfe können wie gesagt je nach Gusto definiert werden. So wäre es theoretisch auch möglich, eine Interrailreise durch Europa zu planen – eine sehr exklusive allerdings.

Womit wir beim Preis wären. Und der ist, auf gut Deutsch, geschmalzen. Der Preis für die Buchung setzt sich zusammen aus der Miete des Zuges, den Streckenkosten und dem gewählten Cateringangebot. So müsste man für die Strecke von München, wo der Luxon stationiert ist, nach Wien mit zumindest 19.000 Euro brutto rechnen. Immerhin bekommt man dafür etwas geboten, selbst auf der Toilette: Dort dreht eine Modelleisenbahn ihre Runden. (max, 6.2.2023)