Im Gastblog beschreibt Europapolitiker Hannes Swoboda Pläne, wie sich die Verhältnissen zwischen der EU und Afrika auf dem Gebiet der Energiepolitik verändern sollen.

Der Zustand und die Entwicklung der Energiepartnerschaft zwischen der Europäischen Union und Afrika zeigen die ganze Widersprüchlichkeit, aber auch Komplexität der Energiepolitik der beiden Kontinente. Die zunehmend grüne Energiepolitik der Jahre vor dem russischen Angriffskrieg – Green Deal genannt – war darauf aus, afrikanische Länder von Investitionen in Gas und Öl abzubringen. Unbeschadet davon haben gleichzeitig – auch europäische – Energiekonzerne eifrig nach Öl und Gas gesucht und nationale Regierungen in Afrika mit dem Versprechen wachsender Einnahmen gelockt, solche Projekte zu unterstützen. Viele Regierungen waren bereit, auch ökologisch problematische Projekte zu unterstützen. Angesichts der finanziellen Situation und der Überschuldung vieler afrikanischer Länder ist das bis zu einem gewissen Grad auch nachvollziehbar.

Scramble for Gas

Der russische Angriffskrieg hat die – wenn auch langsame – Trendwende zu erneuerbaren Energien kurzfristig über den Haufen geworfen. Der Krieg und die Verlangsamung beziehungsweise der Stopp von Gaslieferungen aus Russland haben Regierungsvertreterinnen und Regierungsvertretern aus den EU-Ländern zu Gaseinkäufern gemacht. Wo immer man Gas bekommen konnte und ungeachtet dessen, ob es über Pipelines oder mittels Schiffen als Flüssiggas nach Europa transportiert würde – es war willkommen. Und so wurde auch rasch die entsprechende Infrastruktur gebaut, vor allem Terminals für Flüssiggas – nicht zuletzt in Deutschland, während in einigen anderen Ländern schon vor dem russischen Angriff solche Terminals errichtet wurden.

Erst im vergangenen Jahr wurde der erste Flüssiggas-Terminal in Deutschland eröffnet.
Foto: APA/POOL AP/Michael Sohn

Gleichzeitig wurde aber auch die Kooperation mit afrikanischen Ländern hinsichtlich der traditionellen Kohlenwasserstoffe belebt. Es kam zu einem erneuerten "scramble" (Gerangel) in Afrika, einem "Scramble for Gas" – so genannt in Anlehnung an den "Scramble for Africa", mit dem Höhepunkt auf dem Berliner Kongress 1884. Damals ging es um die Aufteilung Afrikas unter den europäischen Kolonialmächten. Heute geht es darum, die Gewinnung von Gas und Erdöl zu unterstützen. Und es geht um den Ausbau von Leitungsnetzen, um das Gas auch nach Europa zu bringen.

Eine solche Magistrale soll von Nigeria nach Marokko gehen und von dort dann nach Europa. Diese Pipeline würde beziehungsweise wird 5.600 Kilometer lang sein und dreizehn afrikanische Länder kreuzen. Unabhängig davon wollen einige afrikanische Länder, zum Beispiel Senegal und Mauretanien, Flüssiggas nach Europa liefern. Und dazu braucht es Anlagen in den afrikanischen Häfen und solche in Europa.

Die zweifelhafte Zukunft von Gas und Öl

Selbstverständlich kann man auch den afrikanischen Ländern die Gewinnung und den Transport von Öl und Gas nicht verdenken oder gar verbieten. Zuerst stellt sich allerdings die Frage, wie die Öl- und Gasunternehmen mit den direkten Auswirkungen auf die Menschen und die Umwelt umgehen. Und da können die Betroffenen und kritische Medien selten von positivem Verhalten der Unternehmen und den nationalen Regierungen berichten. Im Gegenteil, ganze Landstriche und damit die Lebensgrundlagen vieler Menschen wurden zerstört. Und wenn man den Berichten glauben kann, geschieht das auch heute noch.

Ein Beispiel dafür – und auch dafür, wie schwierig es für die lokale Bevölkerung ist, zu finanziellen Entschädigungen zu kommen – ist die "East African Crude Oil Pipeline", die von Lake Albert in Uganda nach Tanga in Tansania führen soll. Starke Proteste gibt es auch bezüglich eines Offshore-Terminals für Gastransporte vor Saint-Louis in Senegal. Jedenfalls fürchten viele Fischer um ihre Existenzgrundlage durch eine starke Beeinträchtigung der Fischereigründe.

Die Energiewende erfordert auch eine Neuausrichtung in der Zusammenarbeit zwischen der EU und Afrika – etwa durch die Produktion von Wasserstoff.
Foto: APA/HANS PUNZ

Es stellt sich aber auch die Frage, inwieweit sich diese Investitionen rentieren, wenn man die Energiewende ernst nimmt. Werden diese Investitionen sogar die Energiewende verzögern und nach hinten verschieben? Sicher wird man auf absehbare Zeit noch Gas für die Wirtschaft – und auch Öl – brauchen, aber die Energiewende in Richtung Nachhaltigkeit muss Vorrang haben. Das gilt für die Länder Europas genauso wie für die afrikanischen Länder.

Ein afrikanisches Land, das einen solchen Plan zur Energiewende ausarbeiten ließ, ist Nigeria. Es hat einen ambitionierten Energy-Transition-Plan, der deutlich von einer Fortsetzung des bisherigen Entwicklungspfad abweicht. Man kann nur hoffen, dass er auch umgesetzt wird.

Der Maghreb: Zentrum der EU-Afrika-Energie-Partnerschaft

Der Vorrang der Nachhaltigkeit im Energiebereich ist in der seit 2007 bestehenden "Africa EU Energy Partnership" verankert. Das Ziel ist eine "leistbare, nachhaltige und moderne Energieversorgung in Afrika". Weiters soll diese Partnerschaft auch eine entsprechende Energieversorgung in Europa zum Ziel hat.

Schon aus geografischen Gründen ist die Zusammenarbeit der EU mit den Ländern in Nordafrika von besonderem Interesse. Dabei liegen die Schwierigkeiten bei dieser Zusammenarbeit nicht so sehr an der europäischen Uneinigkeit, sondern eher an den Konflikten zwischen manchen Ländern des Maghreb, vor allem zwischen Marokko und Algerien. Im Norden Afrikas treffen jedenfalls die Europäische Nachbarschaftspolitik mit dem Green Deal und die speziellen Ziele der Energiewende aufeinander. Konkret gibt es seit Oktober 2022 eine EU- Moroccan Green Deal Partnership. Insgesamt beziehen sich die Partnerschaften der EU mit den nordafrikanischen Ländern auf die Solar- und Windenergien, die Produktion von grünem Wasserstoff und auf die Gewinnung seltener Erden sowie kritischer Metalle für Batterien, vor allem für die nachhaltige Mobilität.

Schon Anfang 2021 hat Amine Bennis vom European Council for Foreign Relations eine intensive Zusammenarbeit der EU, speziell mit Marokko und Tunesien, bezüglich grünen Wasserstoffs eingefordert. Das sollte ein wichtiges Element der Kooperation im Rahmen des EU Green Deal sein. Dabei kommt es natürlich darauf an, dass sich einzelne Mitgliedsländer der EU bereiterklären, solche Projekte in Angriff zu nehmen.

Ein Projekt im Interesse aller

Auf der anderen Seite müssen die Länder südlich des Mittelmeeres ihrerseits Strategien zur Energiewende und speziell zur Erzeugung von Wasserstoff entwickeln. Dabei steht nicht der Export der Energien nach Europa im Mittelpunkt, sondern der gesamthafte Nutzen für die eigene Bevölkerung. Die Erzeugung und der Verkauf von Wasserstoff soll Teil eines Konzepts sein, das den Menschen unmittelbar Vorteile bringt. Es geht um Arbeitsplätze, Energieversorgung, Versorgung mit Trinkwasser und vieles mehr. Es liegt im Interesse aller, dass die Energiekooperation mit der EU auch vor Ort Zufriedenheit und Zustimmung erzeugt und nicht Benachteiligung und Widerstand.

Dabei sind noch viele technische Fragen offen, um zu wirtschaftlich vernünftigen und wettbewerbsfähigen Lösungen zu kommen. Aber wie kürzlich ein japanischer Bericht feststellte, ist Europa in Bezug auf relevante Patente für eine Wasserstoffwirtschaft sehr gut aufgestellt. Und so wie in anderen Bereichen der nachhaltigen Energien ist auch bei der Produktion und beim Transport von Wasserstoff mit Kostensenkungen zu rechnen.

Afrika und Europa brauchen nicht nur schöne Deklarationen, sondern Modelle einer Partnerschaft zu einer nachhaltigen Gewinnung und Weiterleitung von Energien, wie zum Beispiel von Wasserstoff. Projekte wie dasjenige von Deutschland mit Namibia im Süden Afrikas oder das von Österreich mit Tunesien im Norden des Kontinents, könnten solche Modellprojekte darstellen. Die Interessen beider Seiten und vor allem der lokalen Bevölkerung sollten im Mittelpunkt stehen. Dann sind sie auch langfristig wirtschaftlich.

Es geht aber nicht nur um einen Energiewandel, sondern auch um einen Wandel im Verhältnis zwischen Europa und Afrika. Es geht um ein Stück Gerechtigkeit nach Jahrzehnten, ja sogar Jahrhunderten ungleicher und ungerechter Beziehungen. (Hannes Swoboda, 27.1.2023)