Roy Black und Anita Hegerland 1971 in einer deutschen Fernsehshow: "Das Schönste im Leben ist die Freiheit, denn dann sagen wir: Hurra!"

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Gerhard Höllerich, der in den 1960er-Jahren wegen seines dunklen Teints als Roy Black im deutschen Schlager kurz auf dem Königsthron saß, wäre nun am 25. Jänner 80 Jahre alt geworden. Allerdings starb der Augsburger 1991 im Alter von nur 48 Jahren wohl auch an gebrochenem Herzen und einem Cocktail aus Medikamenten und drei, vier Promille Alkohol im Blut einsam in seiner Fischerhütte im bayerischen Heldenstein.

Wie viele andere Kollegen hatte Roy Black über die Jahre ein ernsthaftes Problem mit seinem Beruf bekommen. Die Schere zwischen dem immerwährenden Sonnenschein in den Kulissen der TV-Hauptabendshows der 1960er- und 1970er-Jahre einerseits und den Niederungen von Bierzeltauftritten und Möbelhauseröffnungen der 1980er-Jahre andererseits klaffte zu weit auseinander. Solange Roy Black in der ZDF-Hitparade bei Moderator Dieter Thomas Heck mit treuherzigem Dackelblick und rollendem R den großen Romantiker geben konnte, war alles gut – oder zumindest ertragbar. Mit Songs wie Ganz in Weiß, Du bist nicht allein oder Wunderbar ist die Welt, einer deutschen Fassung von What A Wonderful World, konnte Black selbst steinerne Herzen in Schmelzkäse verwandeln.

Lockruf des Goldes

Das konnte davon ablenken, dass Gerhard Höllerich eigentlich ein wilder Rock ’n’ Roller war. Anfang der 1960er-Jahre wurde mit seiner Band Roy Black and his Cannons allerdings relativ rasch klar, dass man in diesem Fach als Schmusebär mit viel zu sanfter Stimme falsch am Platz ist. Mit dem Lockruf des Goldes kamen die Schnulzen. Das eigene Herz allerdings wollte da nie so richtig mit. Es wurde krank. Mitte der 80er-Jahre mussten ihm zwei Herzklappen eingesetzt werden. Neben diversen Misserfolgen gesellten sich bald Depressionen, diverse Alkoholexzesse und private Probleme dazu.

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Gelegentlich tauchte Black dann noch in den Charts auf. Sand in deinen Augen,Fremde Erde oder Wahnsinn stehen in diesem mit Plattheiten reichlich zugemüllten Geschäft nicht unbedingt im Abverkaufsregal, dessen Inhalt keiner haben will. Vor allem die am Werk des großen US-Tragöden Roy Orbison geschulte, erschütternde und zugleich kraftvolle Mid-Tempo-Ballade Wahnsinn von 1986 macht klar, dass Schlager den Menschen im besten Falle Trost spenden kann: "Wahnsinn / Wahnsinn dich so rücksichtlos zu lieben / Wahnsinn / Dich als einen Teil von mir zu sehen / Wahnsinn / Wahnsinn diese Angst dich zu verlieren / Wahnsinn / Sicher wirst du deshalb einmal gehen."

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Schlager in seiner goldenen Zeit basiert, wenn er wahrhaftig von Sehnsucht, Einsamkeit, Verzweiflung und unerfüllter Liebe erzählt, immer auf der Tragödie. Die Tragödie kennt keine Ironie. Das dazugehörige, oft recht schablonenhaft mit dicker Farbe aufgetragene Pathos kann nicht auf Distanz zu sich selbst gehen. Auch wenn man es heute aufgrund der vielen schlechten Lieder kaum glauben mag, die das Genre seit seinen Anfängen in der Operette des ausgehenden 19. Jahrhunderts hervorgebracht hat: Schlager ist eine ernste Sache. Auch Roy Black sang 1984 das Wolgalied aus Franz Lehárs Zarewitsch: "Hast du dort oben vergessen auch mich? / Es sehnt doch mein Herz nach Liebe sich." Wer an diese Grundvoraussetzungen nicht glauben mag, der wird im Schlager untergehen.

Am Ende seiner oft von faulen Kompromissen und Zugeständnissen gekennzeichneten und wohl auch von einer übertriebenen Angst vor Veränderung bestimmten Karriere kam Roy Black noch einmal groß heraus. Zwei Jahre vor seinem Tod gab er in der vom altbackenen Flair des Heimatfilms der 1950er-Jahre und von vielen weißen Drehbuchseiten durchwehten Fernsehsehserie Ein Schloß am Wörthersee den stets freundlich grinsenden Hoteldirektor, Sonnyboy und Grüßaugust Lennie Berger: "Du hier? Ich freu mich wahnsinnig!"

Wenige fröhliche Momente

Da saß Gerhard Höllerich aber längst schon verbittert in der Garderobe und verfluchte sein Schicksal als Roy Black. Eigentlich hätte das alles ganz anders kommen können. Es fehlte wohl auch immer wieder an Glück und an Mut. Aber wer kennt dieses Gefühl nicht?

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Einen der wenigen fröhlichen Momente in seiner Karriere hatte Roy Black 1971. Im Duett mit dem norwegischen Kinderstar Anita Hegerland sang er im etwas wirren "Pauker-Film" Wenn mein Schätzchen auf die Pauke haut den lebensfrohen Klassiker Schön ist es auf der Welt zu sein. Der beinhaltet neben dem berühmten Reim auf die Biene und das Stachelschwein die zentralen Zeilen: "Das Schönste im Leben ist die Freiheit / Denn dann sagen wir: Hurra!" Es sollte nicht sein. Gerhard Höllerich ist am 9. Oktober 1991 gestorben. Dem Schlagergenre als Warnung geht Roy Black immer noch unter uns um. (Christian Schachinger, 25.1.2023)