Flugzeuge von Aeroflot und Rossiya Airlines parken am Sheremetyevo International Airport, der außerhalb von Moskau liegt. Auch in Russland wächst der Luftverkehr wieder.

Foto: REUTERS/Tatyana Makeyeva

Urlaubsflug von Moskau ins ägyptische Hurghada. Alles ganz normal – wäre da nicht ein Techniker an Bord, der kleinere Probleme, etwa Defekte an der Klimaanlage, oder einen Sitzgurt, der nicht richtig schließt, gleich unterwegs repariert. Nichts Gefährliches, doch es wirft Fragen auf. Wie sicher ist Fliegen in Russland?

Der Luftraum über der Ukraine und im russischen Grenzgebiet ist für Zivilflugzeuge gesperrt. Doch die internationalen Flugrouten führen knapp am Kampfgebiet vorbei. Die US-Luftfahrtbehörde FAA warnt vor Raketen, die vom Kurs abkommen. Vor allem zu Beginn der Kampfhandlungen klagten Crews bei Flügen über der Ostsee und dem östlichen Mittelmeer und Schwarzen Meer über Störungen der Navigationssysteme. Gezielte Manipulationen etwa von GPS-Signalen sind Teil militärischer Operationen – sie sind aber sicherlich kein Angriff auf die zivile Luftfahrt.

Ersatzteile fehlen

Für die Sicherheit russischer Flieger viel schwerwiegender ist der Mangel an Ersatzteilen. Von den rund 600 Flugzeugen russischer Airlines sind fast 500 Modelle von Airbus, Boeing und Embraer. Und die brauchen Wartung und Ersatzteile, die jetzt wegen der Sanktionen von den westlichen Herstellern nicht mehr geliefert werden.

Russische Airlines schlachten zunehmend eigentlich funktionsfähige Jets als Ersatzteilspender aus, die Flotten fliegen, zumindest nach Einschätzung von Airbus, auf Verschleiß. "Wir sind besorgt über die Zustände in der Wartung, da die Flugzeuge derzeit viel fliegen", sagte Airbus-Chef Guillaume Faury bereits vergangenen Oktober. "Wegen der Sanktionen können wir nicht wirklich überwachen und Hilfe leisten, wie wir es bei unseren Kunden im Normalfall tun. Das ist etwas, das tatsächlich einige Bedenken hinsichtlich der Flugsicherheit aufwirft."

Aeroflot-Flugkapitän Andrej Litwinow, ein kritischer Kopf und in Russland kein Unbekannter, widerspricht. Fliegen in Russland sei nach wie vor sicher, meint er. "Defekte Flugzeuge dürfen nicht fliegen, da kein Kapitän die Verantwortung für das Fliegen eines Flugzeugs übernimmt, das nicht geflogen werden kann. Und natürlich wird niemand irgendwelche gefälschten Ersatzteile ins Flugzeug packen." Probleme mit Ersatzteilen sieht aber auch Litwinow. "Wir haben einige Möglichkeiten für die Lieferung von Ersatzteilen über Drittländer gefunden. Und diese Lieferungen kommen aber aufgrund der Komplexität der Logistik und der höheren Preise nicht mehr so schnell wie früher."

Airbus- und Boeing-Flugzeuge russischer Airlines sind vielfach geleast. Eingesetzt werden sie derzeit überwiegend im Inland, im Ausland ist das Risiko einer Beschlagnahme durch westliche Leasingfirmen zu groß. In Russland gebaute Flugzeuge vom Typ Superjet übernehmen zunehmend die internationalen Strecken. Doch auch hier gibt es Probleme. Die Triebwerke für die Superjets werden in einem Joint Venture mit dem französischen Konzern Safran produziert. Der hat im Zuge der Sanktionen seine Lieferungen eingestellt. Ein rein russisches Triebwerk wird frühestens Ende 2023 zur Verfügung stehen – auch nur in geringen Stückzahlen.

Luftverkehr wächst

Dabei wächst nach der Corona-Krise der Luftverkehr in Russland wieder. Im dritten Quartal 2022 stieg laut staatlicher Nachrichtenagentur Interfax die Zahl der von Aeroflot beförderten Passagiere um 5,5 Prozent auf 7,9 Millionen. Langfristig wollen russische Airlines auf in Russland gebaute Flugzeuge umsteigen. Doch das wird viele Jahre dauern. Deshalb erlebt jetzt ein Uraltflugzeug, dessen erste Version noch zu Sowjetzeiten entwickelt wurde, seine Renaissance: die Tupolew Tu-214. Sie ist technologisch völlig veraltet, noch für eine dreiköpfige Besatzung konzipiert und hat einen enormen Treibstoffverbrauch. Der Jet fliegt derzeit im Linienverkehr nur noch in Nordkorea. Doch er ist aus russischen Bauteilen gefertigt. Aeroflot hat bereits 40 Stück des antiken Fliegers bestellt. (Jo Angerer aus Moskau, 25.1.2023)