Wie sich ÖVP und SPÖ derzeit gerieren, ist demokratiegefährdend. Sie leisten durch Hilflosigkeit und politische Schwäche dem (Wieder-) Aufstieg der FPÖ Vorschub.

Die wiederum geriert sich ungeniert und kalkuliert rechtsextrem. Was Herbert Kickl und sein NÖ-Statthalter Udo Landbauer von sich geben und im NÖ-Wahlkampf verwenden, ist Demokratieverachtung. Landbauer fordert im STANDARD-Interview, die Europäische Menschenrechtskonvention, die im Verfassungsrang steht, für "Nicht-Staatsbürger" aufzuheben. Seine Frage "Was ist denn überhaupt ein Menschenrecht?" rührt an den Grundfesten des zivilisatorischen Fortschritts seit den Nazi-Gräueln. Dies zu sagen ist nicht die "Verwendung der Nazi-Keule". Die Nazis setzten das "Lebensrecht des deutschen Volkes" über die Rechte aller anderen. Landbauer sagt: "Ich würde mich den Rechten der Landsleute verpflichtet fühlen."

Udo Landbauer beim Neujahrstreffen der FPÖ.
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Dummerweise hat der ÖVP-Klubobmann August Wöginger schon vorher gefordert, die Menschenrechtskonvention für Migranten und Asylwerber zu "überarbeiten". Das ist die Sorte Anbiederung an ganz rechts, die am Ende schiefgehen muss. So etwas funktioniert nur, wenn ein charismatischer Wählermagnet wie Sebastian Kurz zur Verfügung steht, aber eben nur eine Zeit lang, weil diese Charismatiker meist über ihre Hohlheit fallen.

Die ÖVP begeht den uralten Kardinalfehler altmodisch-konservativer Kräfte, nämlich zu glauben, dass sich die "neuen", rechtspopulistischen bis rechtsextremen Rabauken schon für ihre Ziele einspannen lassen würden. "Wir haben ihn uns engagiert", sagte der ultrakonservative Franz von Papen, als er Adolf Hitler bei Reichspräsident Hindenburg als Kanzler durchdrückte.

Ablehnung des "Systems"

Die Haiders, Straches und Kickls sind keine Hitler, aber sie haben eines mit ihm gemeinsam: die unversöhnliche Ablehnung des "Systems" (ein Schlüsselwort), also der liberalen Demokratie, wie wir sie leben. Wer glaubt, sie "engagieren" – oder kopieren – zu können, hat schon verloren.

Die Hilflosigkeit der Nehammer-ÖVP gegenüber der FPÖ findet ihr Pendant in der generellen Hilflosigkeit der Rendi-Wagner-SPÖ. Pamela Rendi-Wagner ist zur Politik an sich nicht fähig. Sie versäumt Gelegenheiten, die sich bieten, hat sich keinen Stab aufgebaut, der Grundsätzliches und Handwerklich-Taktisches beherrscht, und gewinnt einfach nicht die Kommandohöhen der Politik.

Beide bieten der FPÖ schon wieder eine Chance – trotz der unendlichen Liste der Skandale und Unfähigkeitsbeweise dieser Partei. Es gibt viele Erklärungen für dieses Verhalten so vieler Österreicherinnen und Österreicher – aber eigentlich keine Entschuldigung. Aber so ist es eben. An den Traditionsparteien ÖVP und SPÖ liegt es daher, den Leuten das Gefühl zu geben, dass irgendwer da draußen (oder "da oben") halbwegs über Kompetenz verfügt und zu ernster Arbeit in der Lage ist. Kanzler Karl Nehammer und Innenminister Gerhard Karner fliegen an die bulgarisch-türkische Grenze, um einen Zaun anzuschauen; Rendi-Wagner ist die halbe Zeit überhaupt nicht präsent, dann kommt sie mit irgendeinem Vorschlag, den kein Mensch ernst nimmt. Das hilft nicht nur der FPÖ, es zerstört insgesamt das Vertrauen in den normalen demokratischen Prozess. (Hans Rauscher, 25.1.2023)