Die Ukraine erhält Kampfpanzer.

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Noch am vorigen Freitag hatte John Kirby, der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, heftig gemauert. Ob die USA angesichts der gescheiterten Einigung auf Leopard-Lieferungen beim Verteidigungsminister-Treffen in Ramstein bereit seien, der Ukraine amerikanische Abrams-M1-Panzer zu liefern, war der eloquente Konteradmiral a. D. da bei der Pressekonferenz im Weißen Haus gefragt worden. "Ich habe keine Entscheidungen mitzuteilen", antwortete er: Der Abrams sei sehr kraftvoll, doch sei das 60-Tonnen-Ungetüm auch "sehr kostspielig" und verlange "eine Menge Ausbildung", dämpfte er irgendwelche Erwartungen.

Hinter den Kulissen aber wurde in der amerikanischen Administration schon um einen Hebel gerungen, die Blockade der Leopard-Lieferungen durch die deutsche Bundesregierung aufzulösen. Am Dienstagabend berichtet der "Spiegel", dass Berlin eine Kompanie Leopard-2-Panzer liefern wird. Und nach einem Bericht des "Wall Street Journal" tendiert die Biden-Regierung dazu, eine "bedeutende Zahl" von Abrams-Panzern an die Ukraine zu liefern. Andere Medien sprechen von 20 bis 30 Panzern.

Damit verbunden sein sollen die Verständigung mit Berlin auf die Lieferung deutscher Leopard-Panzer und die Erlaubnis der Weitergabe solcher Panzer durch Polen und andere Länder.

Kehrtwende für USA

Die transatlantische Panzer-Allianz wäre nicht nur ein vorläufiger Erfolg für Kanzler Olaf Scholz, der seit Wochen wegen seiner zögerlichen Haltung bei der militärischen Unterstützung der Ukraine unter Druck steht. Es wäre auch eine Kehrtwende des US-Verteidigungsministeriums, das die Bereitstellung des US-Panzers bislang ablehnte. Verteidigungsminister Lloyd Austin hatte mehrfach erklärt, man wolle der Ukraine kein militärisches Material liefern, das sie "nicht reparieren, nicht erhalten und sich langfristig nicht leisten" könne.

Was er damit meinte, machte am vorigen Freitag noch einmal sein Staatssekretär Colin Kahl deutlich: "Der Abrams ist ein sehr kompliziertes Teil. Er ist teuer, schwer zu erlernen und braucht drei Gallonen (elf Liter) Flugbenzin pro Meile." Zwar hat die Bundesregierung offiziell ein Junktim zwischen den deutschen Leopard-Lieferungen und der Bereitstellung von Abrams-Panzern bestritten.

Kein alleiniges Risiko

Tatsächlich scheint Scholz aber bei seinem Telefonat mit Biden am vorigen Dienstag klargemacht zu haben, dass er das Risiko einer militärischen Eskalation in dem Krieg mit Russland nicht alleine tragen will. Nach dem Gespräch veröffentlichte das Weiße Haus eine extrem schmallippige Presseerklärung. In der amerikanischen Regierung war man verärgert über die Konditionierung der Leopard-Lieferungen durch den Bundeskanzler. Immerhin setzte die Koppelung Biden unter Druck: Nicht nur das Pentagon war nämlich gegen Abrams-Lieferungen. Auch aus finanziellen Erwägungen wollte Washington die milliardenteure Aktion vermeiden, da sie ihren Ukraine-Hilfstopf belastet. Ob der Kongress mit der neuen republikanischen Mehrheit und vielen rechten Ukraine-Skeptikern weitere Gelder bewilligt, ist sehr fraglich.

Doch der Stein war ins Rollen gebracht. Scholz traf am Mittwoch beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos mit einer Gruppe von US-Senatoren zusammen, die seine Argumente offenbar nachvollziehen konnten. "Wenn es nötig ist, einige Abrams-Panzer zu liefern, um damit den Weg für Leopard-Panzer aus Deutschland, Polen und von anderen Verbündeten freizumachen, bin ich dafür", sagte anschließend Chris Coons, der demokratische Senator aus Bidens Heimatstaat Delaware, der dem deutschen Kanzler physiognomisch und in der Haartracht wie ein Zwillingsbruder ähnelt. Er mahnte: "Wir müssen weiter im Gleichschritt mit unseren engen Verbündeten vorangehen."

Senatoren in USA

Gegen Ende der Woche reiste eine andere, überparteiliche Gruppe von US-Senatoren in die Ukraine und traf dort Präsident Wolodymyr Selenskyj. "An die Deutschen: Schickt Panzer, weil sie gebraucht werden", twitterte anschließend der Republikaner Lindsey Graham: "An die Biden-Regierung: Schickt amerikanische Panzer, sodass andere eurem Beispiel folgen." Sein demokratischer Kollege Richard Blumenthal forderte am Montag: "Wir müssen den Knoten durchschlagen." Die Biden-Regierung habe dazu die Mittel in der Hand: "Wir sollten Abrams liefern, dann werden die Deutschen auch Leopard-2-Panzer hergeben, um den russischen Angriff zu stoppen."

Der öffentliche Druck in den USA wuchs. Michael McCaul, der neue republikanische Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Repräsentantenhaus, riet der Biden-Regierung in einem Fernseh-Interview am Sonntag zu einem Bluff: Sie solle "einen einzigen" Abrams-Panzer liefern. "Nach dem, was ich höre, wartet Deutschland darauf, dass wir die Führungsrolle übernehmen." Schon am vorigen Donnerstag hatte das konservative "Wall Street Journal" der Biden-Regierung eine "rätselhafte Zaghaftigkeit" bei der Panzer-Lieferung vorgeworfen.

Anfang dieser Woche legte die "Washington Post" mit einem Leitartikel nach, in dem sie auf die Abrams-Lieferung drängte. Viel spricht dafür, dass die neue Panzer-Allianz nun zunächst in Washington bekanntgegeben wird. Nach Informationen der Nachrichtenseite "Politico" könnte es um 20 bis 30 Abrams-Panzer gehen. Die Bundesregierung dürfte alles unternehmen, den langfristig höchstproblematischen Eindruck, sie habe den US-Präsidenten unter Druck gesetzt, zu verwischen. Am Dienstag lehnte das Weiße Haus zunächst jeden Kommentar ab. (Karl Doemens aus Washington, 24.1.2023)