Vielen Menschen ist nicht bewusst, wie viele schädliche Stoffe sie täglich konsumieren.
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Der menschliche Körper verfügt über erstaunliche Entgiftungsmechanismen. Sie befähigen uns etwa, kontaminierte Erdnüsse zu essen, ohne gleich Lebertumoren zu entwickeln. Erdnüsse können nämlich kleinste Mengen an Aflatoxinen enthalten – stark krebserregende Substanzen, die von Aspergillus-Schimmelpilzen produziert werden. Selbst bei Einhaltung der vorgeschriebenen Grenzwerte können 100 Gramm Erdnüsse noch immer Billiarden Aflatoxin-Moleküle enthalten.

Diese Moleküle haben die Fähigkeit, direkt an eine DNA-Base des Erbmaterials zu binden, was auch Krebs auslösen kann. Dazu kommt es bei Einhaltung der Grenzwerte so gut wie nie, weil der Körper seine Entgiftungsmaschinerie anwirft: Körpereigene Enzyme schneiden das Gift wieder aus der DNA heraus und entsorgen es via Niere und Urin. Die nächste Schüssel Erdnüsse kann kommen.

Abwechslungsreiche Ernährung minimiert die Einnahme von Schadstoffen.
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Giftstoffe aus der Lebensmittelverarbeitung

Schimmelpilzgifte oder Mykotoxine, zu denen auch die Aflatoxine gehören, sind nur einige von hunderten Giftstoffen, die Teil unseres täglichen Essens sind. Hochsensible Analysemethoden zeigen, dass es letztlich keine schadstofffreien Lebensmittel gibt. "Die Nahrung, die wir zu uns nehmen, ist eine komplexe Mischung aus nützlichen und schädlichen Chemikalien", sagt Rudolf Krska, der das Institut für Bioanalytik und Agro-Metabolomics der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien leitet. Beheimatet ist das Institut am Boku-Department für Agrarbiotechnologie (Ifa) in Tulln. In seinem Buch "Essen ohne Gift?" liefert Krska eine Einordnung der schädlichen Chemikalien.

Ein Beweggrund für das Buch ist die, wie Krska sagt, "stark verzerrte öffentliche Wahrnehmung" hinsichtlich Giftstoffen im Essen. Hier sei etwa oft von Pestiziden die Rede, selten aber von anderen Giftstoffen, die aus der Lebensmittelverarbeitung, aus Kunststoffverpackungen oder der Natur selbst stammen.

Analyse-Weltrekord

Krskas eigene Arbeitsgebiete liegen in der Bioanaltik und der Mykotoxinforschung. Neben dem Ifa Tulln ist er für das auf Lebensmittelsicherheit fokussierte Kompetenzzentrum FFoQSI tätig, das im Comet-Programm der Förderagentur FFG vom Wirtschafts- und vom Innovationsministerium finanziert wird. Auch das Land NÖ und die Wirtschaftsagentur Ecoplus gehören zu den Förderern. Krska verweist auf eine Methode von Boku und FFoQSI, die "einen Weltrekord" bei der Schadstoffanalyse aufstellt und 1400 Giftstoffe in weniger als 45 Minuten quantifizieren kann.

In 100 Gramm Erdnüssen können Billiarden Aflatoxin-Moleküle stecken. Die Substanz gilt als stark krebserregend.
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Die Basis für Krskas Buch bildet eine wissenschaftliche Studie, die er und sein Team 2020 im Journal "Critical Reviews in Food Science and Nutrition" publizierte. "Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, die Risiken durch die langfristige, chronische Aufnahme von Schadstoffen systematisch zu erfassen und nach ihrer Gefährlichkeit zu reihen", sagt der Forscher. "Dazu haben wir etwa 100 Risikobewertungen der europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörden unter die Lupe genommen." Als Grundlage für die Einschätzungen wurde ein "europäischer Durchschnittskonsument" angenommen.

Ständige Kontrolle als wichtige Instanz

Die Kontrolle der Schadstoffe in Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie unterliegt in Europa einem strengen Sicherheitssystem, das Grenzwerte und maximale Konzentrationen vorgibt und überprüft. Übergewicht und Herz-Kreislauf-Erkrankungen stellen, gefolgt von mikrobiellen Erregern wie Salmonellen, ein höheres essensbedingtes Gesundheitsrisiko dar. Danach sind aber bereits die chemischen Schadstoffe gereiht. In der einschlägigen Forschung gibt es durchaus noch offene Fragen: "Gerade das Zusammenspiel verschiedener Giftstoffe über eine lange Zeit ist noch kaum erforscht", unterstreicht Krska.

Acrylamid ist ein Schadstoff, der sich beim Braten, Backen oder Rösten stärkehaltiger Lebensmittel bildet. Das betrifft neben Chips auch Kekse oder gerösteten Kaffee.
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Im Ranking der "potenziellen chronischen Gesundheitsrisiken der Schadstoffe", das der Wissenschafter erstellt, schaffen es die Aflatoxine immerhin unter die top drei. Damit werden sie für europäische Konsumierende als risikoreicher eingestuft als etwa Schwermetalle oder die Umweltschadstoffe der Dioxine, die aus industriellen Prozessen stammen.

Aflatoxine können nicht nur Begleiter von Nüssen, sondern auch von Mais und Getreide sein. Bisher war der Aspergillus-Pilz eher auf heiße Gegenden beschränkt, doch auch weiter nördlich wird die Gefahr größer. "Der Klimawandel ist im Bereich der Lebensmittelsicherheit ein großes Thema", betont Krska. "Das zeigt auch der serbische Lebens- und Futtermittelskandal von 2012, bei dem Mais plötzlich sehr hohe Aflatoxin-Werte aufwies." Nachdem er als Tiernahrung genutzt wurde, gab es in der Folge auch in der Milch vielfach erhöhte Werte eines krebserregenden Aflatoxin-Stoffwechselprodukts. "Man hat damals gesehen, wie wichtig eine ständige Kontrolle ist", sagt der Wissenschafter.

Risiko durch Verpackung

Rudolf Krska, "Essen ohne Gift? – Gesundheitsrisiken und -nutzen unserer Lebensmittel". € 14,– / 104 Seiten. Picus, Wien 2023.

Neben Aflatoxin sind laut dem Gefahrenranking auch Mineralölkohlenwasserstoffe ganz vorn mit dabei. Sie können verschiedene Quellen haben – von Schmierölen aus Maschinen, die über die Alufolienverpackung in die Butter gelangen, bis hin zum Reifenabrieb von Autos. An der Spitze liegen allerdings Schadstoffe wie Acrylamid, das sich beim Herstellungsprozess der Lebensmittel selbst bildet. Acrylamid entsteht durch Braten, Backen oder Rösten von stärkehaltigen Lebensmitteln und ist in Chips, Keksen, geröstetem Kaffee und vielen anderen Lebensmitteln vorhanden. "Bei der Verstoffwechslung im Körper kann Acrylamid zum einen direkt die DNA angreifen, zum anderen wird es in der Leber zu einer noch reaktiveren Substanz umgewandelt", schreibt Krska im Buch. Damit kann der Schadstoff Mutationen im Erbgut und damit wahrscheinlich ebenfalls Krebs auslösen.

Was also tun, um die Giftstoffbelastung langfristig gering zu halten? Krska gibt ein paar Tipps: Reis, der oft von arsenhaltigen Böden stammt, waschen; Reis und Pasta in viel Wasser kochen und das Restwasser entsorgen; bei Schimmel auf Brot, Obst oder Marmelade nicht nur betroffene Stellen, sondern das ganze Produkt entsorgen. Der wichtigste Ratschlag lautet aber: einseitige Ernährung und damit eine überproportionale Anreicherung einzelner schädlicher Substanzen vermeiden. Krska: "Eine ausgewogene Ernährung ist die beste Maßnahme, den Schadstoffeintrag zu minimieren." (Alois Pumhösel, 6.2.2023)