Die staatliche Saline Water Conversion Corporation in Saudi-Arabien gilt als das weltweit größte Meerwasserentsalzungsunternehmen.
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Mehr als zwei Milliarden Menschen weltweit haben keinen regelmäßigen Zugang zu sauberem Wasser. 785 Millionen Menschen haben nicht einmal eine Basisversorgung mit Trinkwasser. Betroffen sind vor allem Bewohnerinnen und Bewohner ärmerer Regionen der Welt, besonders in ländlichen Gebieten. In Küstenstaaten, die wenige andere Möglichkeiten zur Gewinnung von Süßwasser haben, wird dieses mit Entsalzungsanlagen aus Meerwasser gewonnen.

Auf der Arabischen Halbinsel geschieht dies gekoppelt mit Dampfkraftwerken mittels fossiler Energie. Die Saline Water Conversion Corporation in Saudi-Arabien erzeugt mit ihren 28 Anlagen pro Tag 4,6 Millionen Kubikmeter Trinkwasser. Großindustrielle Entsalzungsanlagen verbrauchen große Mengen an Erdöl oder Erdgas, weil das Wasser bei der mehrstufigen Entspannungsverdampfung auf mehr als 100 Grad erhitzt werden muss.

Energiesparende Alternative

Bei der anderen Methode, der Umkehrosmose, wird das Meerwasser mit Membranen entsalzt, was weniger Energie benötigt, aber technisch aufwendig ist. Auch verschmutzen die Membranen dabei und müssen gereinigt oder getauscht werden. Wie könnte man Trinkwasser aus salzhaltigem Wasser einfacher, billiger, mit weniger Energieeinsatz, in kleinerem Maßstab und auch abseits der Küsten gewinnen? Dieser Frage hat sich Elias Eder, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fachhochschule Vorarlberg, in seiner Masterarbeit und seiner Doktorarbeit gewidmet. Seine Dissertation drehte sich um einen alternativen Ansatz zur Wasseraufbereitung in ländlichen Regionen. "Infrage kommen thermische Aufbereitungsprozesse, die man mit Solarenergie oder Abwärme betreiben kann. Das Beispiel, das wir uns angeschaut haben, ist der sogenannte Befeuchtungs-Entfeuchtungs-Prozess", erklärt Eder. Im Englischen heißt dieser Prozess Humidification-Dehumidification (HDH).

Meerwasserentsalzungsanlagen haben meist riesige Dimensionen und einen hohen Verbrauch fossiler Ressourcen.
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Die Natur als Vorbild

Der HDH-Prozess basiert auf dem natürlichen Wasserkreislauf der Erde. In der Natur kommt Luft mit warmem Meerwasser in Kontakt, das Wasser verdunstet, das Salz bleibt im Meer zurück, und die Luft nimmt den Wasserdampf auf. Wenn diese Luft in kältere Regionen kommt, kühlt sie wieder ab, und ein Teil des Wasserdampfes kondensiert. "Das kann man auch technisch realisieren", erklärt Eder. "Der Vorteil ist, dass diese Verdunstung schon unterhalb der Siedetemperatur stattfinden kann. Man muss also das Meerwasser nicht zum Kochen bringen, man muss es nur schaffen, die Kontaktfläche zwischen der Luft und dem Wasser zu maximieren."

Aufgrund der zu geringen Effizienz des Systems hat die HDH-Technologie bisher keinen Durchbruch erlebt. Mit Luft, genauer gesagt mit einem Blasensäulenreaktor, könnte das nun gelingen. Im Labormaßstab wird dafür in einen Behälter mit salzigem Wasser von unten Luft durch eine Lochplatte eingeströmt, wodurch Luftblasen entstehen – umso kleiner die Blasen und umso größer ihre Anzahl, desto besser. Eder hat mithilfe optischer Analysen und einer Reihe von Sensoren in seiner Versuchsanlage erhoben, wie man die Effizienz des Blasensäulenreaktors maximieren kann, also wie Wassertemperatur, Füllstand oder Stärke des Luftstroms die Feuchtigkeitsaufnahme der Luftblasen beeinflusst.

Wie die grafische Darstellung der gesammelten Messergebnisse zeigte, war die Effizienz der Anlage bei hoher Wassersäule und mittlerer Luftgeschwindigkeit am höchsten. Ein Vorteil dieser Methode der Wasserentsalzung ist eine große Kontaktfläche durch die Bildung vieler Blasen sowie die Vermeidung von Verschmutzung (Fouling), weil keine zusätzlichen Materialien in den Befeuchter eingebracht werden müssen.

Ideal für kleine Gemeinden

Wasserknappheit betreffe auch sehr viele ländliche Regionen, in denen die Infrastruktur und die Energie für eine großindustrielle Entsalzungsanlage meist nicht vorhanden seien, gibt der Forscher zu bedenken. Auch sei es in einem Dorf nicht sinnvoll, eine Milliarde Liter Wasser am Tag zu entsalzen. Dort bräuchte man Anlagen, die auch im kleineren Maßstab effizient funktionieren. Genau das sei mit dem untersuchten Prozess möglich. Nun verstehe man, wie eine derartige Anlage skaliert werden muss, um eine bestimmte Wassermenge produzieren zu können, sagt Eder. Im nächsten Schritt möchte er die Methode in einer größeren Pilotanlage testen, was aber Industriepartner oder Financiers erfordert.

Schwermetalle und Öl entfernen

Eine Blasenreaktor-Entsalzungsanlage kann auch mit Öl verschmutztes Wasser reinigen.
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Die Einsatzmöglichkeiten wären vielfältig, ist Eder überzeugt: "In Indien zum Beispiel gibt es im Landesinneren große Grundwasserreserven, die aber oft mit Schwermetallen verunreinigt sind. Oder es ist Brackwasser, das zwar einen geringeren Salzgehalt hat als Meerwasser, aber doch zu viel, um es zu trinken." Eine kleine Blasenreaktor-Entsalzungsanlage, betrieben mit Strom aus Photovoltaik, könnte daraus für ein Dorf Trinkwasser produzieren. Auch die Nutzung von Abwärme aus einem Betrieb wäre möglich.

Denkbar wäre auch, mit Öl verschmutztes Wasser auf diese Weise zu reinigen. Zumindest war dieser Anwendungsfall der Ausgangspunkt für Eders Forschungsarbeit: Sein Doktorvater Markus Preißinger, der vor seiner Professur an der FH Vorarlberg an der Universität Bayreuth Geschäftsführer des Zentrums für Energietechnik war, hat an der Aufbereitung ölhaltiger industrieller Abwässer mithilfe eines Blasenreaktors geforscht. Auch diese Anwendung funktionierte gut. Ausgehend von Eders Forschung können Aggregate zukünftig zielgerichtet für die jeweilige Anwendung ausgelegt werden. (Sonja Bettel, 28.1.2023)