Im Gastblog zeigt Rechtsanwalt Karl Newole anhand eines Beispiels, wie wichtig es ist, bei Ansprüchen auf Schadenersatz die entsprechenden Fristen im Auge zu behalten.

Wir alle haben schon gesundheitliche Probleme erfahren. Sei es durch Krankheit, sei es durch Unfall. Die Hilfe von Ärzten und Ärztinnen oder Spitälern haben wir dabei in der Regel dankbar angenommen. Wenn ich an den medizinischen Fortschritt denke, bin ich auch stets froh darüber, im Hier und Jetzt zu leben, statt in den Zeiten meiner Großeltern.

Trotzdem passieren im Ärztebereich immer wieder Fehler, zum Teil erstaunliche und gravierende. Dabei kommen Haftung und Schadenersatz ins Spiel. Die folgende oberstgerichtliche Entscheidung (8Ob54/17z) soll dafür sensibilisieren, nicht in die Verjährungsfalle zu tappen. Krankheit oder einen Unfall zu erleiden, ist schon schlimm genug. Auch noch "verpfuscht" zu werden, wiegt zusätzlich schwer. Und schließlich um seine Ersatzansprüche umzufallen, setzt dem Ganzen die negative Krone auf.

Verjährung bei Vorfall im Krankenhaus

Worum ging es? Ein 19-Jähriger erlitt nach einer Rauferei eine Oberarmfraktur. Nach einer Schmerztherapie wurde er operiert. Noch in der Nacht fieberte er auf 40 Grad Celsius an. Von der Dienst habenden Turnusärztin wurde ein Schmerzmittel verabreicht, welches letztlich zu einer Schmerzmittelvergiftung, einer Atemlähmung und zum Tod des jungen Patienten führte. Nicht auszuschließen war, dass der junge Mann schon zuvor an einer unentdeckten Lungenentzündung litt.

Wenn bei einer ärztlichen Behandlung Fehler passieren, kann Klage erhoben werden – doch nur unter Einhaltung bestimmter Fristen.
Foto: IMAGO/Ioritz Lopez/Addictive Stock

Zunächst wurde wegen fahrlässiger Tötung gegen die eingesetzte Anästhesistin ermittelt, die jedoch, etwa fünf Jahre nach dem Vorfall, vom Strafgericht freigesprochen wurde.

Aus Verjährungssicht – es gilt eine Dreijahresfrist – ist dabei von Interesse, dass die vor den Zivilgerichten klagende Mutter des Verstorbenen vorbrachte, erst im Zuge des Strafverfahrens Kenntnis davon erlangt zu haben, dass eigentlich die Turnusärztin, und mit ihr das Krankenhaus, zu belangen gewesen wäre. Erst- und Berufungsgericht gingen jedoch in der Folge von einer Verjährung aus, da die Klägerin bereits ein Jahr nach dem Vorfall "von den schädlichen Wirkungen jenes Ereignisses Kenntnis erlangte, dessen (Mit-)Ursache irgendein dem Schädiger anzulastendes Verhalten" sei. Diese Voraussetzungen seien bereits ein Jahr nach dem Todesfall vorgelegen, was sich einerseits dadurch manifestiert habe, dass der Anwalt der Mutter ein Aufforderungsschreiben an das Krankenhaus schickte, die Haftung für den Vorfall anzuerkennen. Anderseits habe sich aus den medizinischen Gutachten im Strafakt die Tätigkeit der Turnusärztin hinreichend deutlich ergeben.

OGH: Ausreichend Kenntnis für Fristablauf notwendig

Der OGH hob die Urteile jedoch auf und hielt fest, dass die für eine aussichtsreiche Klagsführung gegen die Turnusärztin relevanten Zusammenhänge zwischen der Verabreichung des Schmerzmittels und einer möglichen Lungenentzündung des Patienten erst nach einem Ergänzungsgutachten vier Jahre nach dem Todesfall bekannt geworden waren. Erst von da an konnte die dreijährige Verjährungsfrist zu laufen beginnen. Daran ändere auch ein anwaltliches Aufforderungsschreiben per se nichts. Es kommt vielmehr auf das objektive Vorliegen der erforderlichen Voraussetzungen an. Mutmaßungen darüber, wie sich der Sachverhalt abgespielt haben könnte, reichen grundsätzlich nicht aus (OGH 6 Ob 212/13i).

Nehmen Sie sich als Fazit die Leitgedanken des OGH zu Herzen: Die Verjährung von Schadenersatzansprüchen beginnt in der Regel mit dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem die berechtigte Person den Schaden und die ersatzpflichtige Seite so weit kennt, dass eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann. Hier gilt es, keine Frist zu versäumen. Die Kenntnis muss dabei aber den ganzen Sachverhalt umfassen, insbesondere auch den Ursachenzusammenhang zwischen dem Schaden und dem anzulastenden Verhalten. Ist die geschädigte Person ein Laie oder eine Laiin und setzt dies Fachwissen voraus, so mag als Ausnahme die Verjährungsfrist erst dann zu laufen beginnen, wenn die geschädigte Person durch ein Sachverständigengutachten Einblick in die Zusammenhänge erlangt (OGH 3 Ob 206/16i). Passiv darf die geschädigte Seite allerdings nie bleiben. Sie ist zur Verjährungsvermeidung gehalten, angemessene Erkundigungsschritte zu setzen.

Wenn Sie diese Grundsätze beachten, vermeiden Sie nach dem Schadenseintritt wenigstens den Verlust von existierenden Ersatzansprüchen. (Karl Newole, 9.2.2023)